Wartungseinheit 32 der NVA für das Schutzbauwerk 16/017 - Chronik
- Nichtveröffentlichte Erinnerungen -
© Hertwig und Co. / 2008, ergänzt 2018, 2021 |
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7. Der Wartungs- und Betriebszug III des Kommandos Heeresführungsstellen Ost |
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Abbildung 7.1 Zur Übernahme kommandierte Soldaten der Bundeswehr informierten sich im Schutzbauwerk über die Ausstattung und die technischen Einrichtungen
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Ab dem 3. Oktober 1990 gehörte der Hennickendorfer Bunker dem neuen Eigentümer, der Bundesrepublik Deutschland. Genutzt wurde die Kasernenanlage noch einige Jahre
durch die Bundeswehr.
Schon in den Monaten vor der deutschen Wiedervereinigung kamen „Vorauskommandos“ der Bonner Hardthöhe in die Kaserne, um sich vom Zustand dieser Liegenschaft ihr
eigenes Bild zu machen. Die Offiziere und Unteroffiziere zeigten sich beeindruckt und bestätigten dem Hennickendorfer Personal, dass man die gesamte Kasernenanlage
in einem sehr guten Zustand vorgefunden habe.
Die neuen Nutzer verhielten sich in ihrer übergroßen Mehrzahl kameradschaftlich zu den bisherigen Betreibern, verstanden das Ganze nunmehr als gemeinsame Aufgabe. Insofern
war der eine General, der im Soldatenjargon gewiss der General „Super-Wichtig“ genannt worden wäre und eine bezeichnende Selbstdarstellung bot, die unrühmliche Ausnahme.
Zum besseren Verständnis solcher Typen sein Selbstzeugnis:
Der Herr General beim Besichtigen der Außenanlagen gegenüber Major Jürgen te Kock: „Und wo haben Sie Ihre Antennen? Die sind wohl schon abgesägt und zu Geld gemacht
worden?“
„Nein, Herr General, wir haben hier Erdantennen genutzt.“
„Wollen Sie mich für dumm verkaufen? Also, das kann ich Ihnen schon heute sagen, sowas wie Sie wird es in der Bundeswehr nie zu etwas bringen. Dafür sorge ich
persönlich“.
Von Anfang an gewollt war, dass vorerst „zur Probe“ in die Bundeswehr eingegliederte einstige NVA-Soldaten am Aufrechterhalten bestimmter militärischer und technischer
Prozesse beteiligt werden. Völlig in den Sternen stand, wem bei der Bundeswehr noch eine militärische Zukunft bevorstand.
Abbildung 7.2 Auch aus dem 1991er Übergabeprotokoll zwischen altem und neuem Vor-Ort-Verantwortlichen ist deutlich herauszulesen, was bereits im Kapitel 4.4 beschrieben
wurde: Übergeben wurde neben der Truppe auch „das Objekt 16/601“
Zunächst wurden ehemalige Soldaten der NVA generell maximal für zwei Jahre übernommen, bevor ihre Weiterverpflichtung als Zeit- oder Berufssoldat bestätigt oder abgelehnt
wurde. Das musste wohl auch der letzte Hennickendorfer NVA-Kommandant schmerzlich zur Kenntnis nehmen. Am 25.02.1991 übergab er seine Dienstgeschäfte an Major Steffen
Kabitschke. Dieser hatte bereits die Urkunde des Bundesministers der Verteidigung in der Hand, dass er „mit Wirkung vom 1. März 1991 unter Berufung in das
Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Hauptmann“ ernannt wird.
Diese Herabstufungen im Dienstgrad für ehemalige Angehörige der NVA waren nach der Wiedervereinigung kein Hennickendorfer Phänomen sondern galten generell. Dies betraf
zum Beispiel auch die ehemalige Dienstgradgruppe der Fähnriche, die es so in der Bundeswehr gar nicht gibt. Klaus-Uwe Giesow beispielsweise, schon 1983 zum Oberfähnrich
befördert, leitete 1991 als „Hauptfeldwebel Giesow“ das Führungsgrundgebiet S1 der Dienststelle.
Abbildung 7.3 Ausgesondertes Gerät: Für diese Schützenpanzerwagen SPW 60 PB der WE-32 hatte die Bundeswehr keine Verwendung
Aus der Wartungseinheit 32 wurde zunächst der Wartungs- und Betriebszug III des in Harnekop angesiedelten Kommandos Heeresführungsstellen Ost, führte aber die
Bezeichnung WE-32 weiter.
Für den Beginn des Jahres 1991 liegen für Hennickendorf folgende Personalstärken vor:
| Soll | Ist |
Gesamt | 259 | 200 |
Offiziere | 22 | 13 |
Unteroffiziere | 147 | 76 |
Soldaten | 85 | 111 |
Zivilbeschäftigte | 37 | 33 |
Auch bei der Bundeswehr galt ein klares Regime bezüglich des Hennickendorfer Bunkers. Betreten durfte ihn nur, wer einen von den Harnekopern ausgestellten Dienstauftrag
hatte.
Zu klären war irgendwann auch die Frage, was aus dem Schutzbauwerk künftig werden soll. Ein Erkundungskommando besichtigte dazu am 1. April 1992 die Bunkeranlage.
In der Folgezeit stellte sich heraus, dass eine Weiternutzung des Schutzbaus durch die Bundeswehr oder durch andere deutsche Verfasssungsorgane nicht vorgesehen war.
Abbildung 7.4 Per Fernschreiben für April 1992 in Hennickendorf angekündigt: „Ein kleines Erkundungskommando“ zwecks „Lagefeststellung zur weiteren Nutzung der
Sonderschutzbauten“
Allerdings blieben die lebenserhaltenden Systeme dieses Bauwerkes noch einige Jahre in Betrieb. Auf Mark und Pfennig ausgerechnet von den Verantwortlichen in
Hennickendorf wurden auch die anfallenden laufenden Kosten des Weiterbetriebes des Bunkers. Sie betrugen 1991:
Energiekosten (ELT) | 116.784 DM |
Dieselkraftsoffkosten | 5.700 DM |
Personalkosten | 649.104 DM |
Gesamtkosten | 771.588 DM |
Nicht enthalten sind die Wasserkosten (man hatte ja eigene Brunnen) sowie die normalerweise anfallenden Kosten für festgelegte technische Revisionen einzelner Geräte,
die aber zum damaligen Zeitpunkt wegen ungeklärter Verantwortlichkeiten nicht durchgeführt wurden.
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Der von der Bundeswehr weiterbeschäftigte Teil des Personals galt als „zur Probe“ übernommen
Februar 1991: Major Kabitschke übernimmt die truppendienstliche Führung
Für den Schutzbau gab es künftig keine Verwendung mehr |
Später dann nutzten die oberirdischen Gebäude und Anlagen der nunmehrigen „Wilhelm-Leuschner-Kaserne“ zwei Ausbildungskompanien des in Beelitz stationierten
Instandsetzungsbataillons 410.
Abbildung 7.5 Eingangsbereich der Wilhelm-Leuschner-Kaserne
Die nicht mehr genutzten Außenanlagen wurden um 1997 mittels einer ABM-Maßnahme zu Fledermausquartieren „umgebaut“. Umgebaut bedeutet in diesem Falle, dass die
Eingänge der oberirdischen Fertigteilbunker zugemauert und nur kleine Einfluglöcher für die Fledermäuse gelassen wurden.
Mit den Strukturveränderungen in der Bundeswehr wurde auch der Standort Hennickendorf aufgegeben und das Bundesvermögensamt suchte nach Interessenten für eine zivile
Nachnutzung.
Robert Zellermann und Liselotte Holte zogen am 1. Mai 2002 mit ihrer Kampfmittelbeseitigungsfirma Pegasus Beratungs- und Dienstleistungs OHG als Pächter ein und planten
langfristig, sich hier Schulungsmöglichkeiten für ihren speziellen Zweck zu erschließen. Unterkünfte wurden von Zeit zu Zeit für Polizeikräfte und andere zur Verfügung
gestellt. Das Areal firmierte nun unter dem Namen „Pegasus- Park“ und aus der einstigen Armeekantine am Kaserneneingang machten die neuen Betreiber die Gaststätte
„Pegasus-Terrassen“.
Im Jahre 2006 erwarben die Klaistower Spargelbauern Buschmann und Winkelmann das Objekt vom Bundesvermögensamt und nutzen es seither unter der Bezeichnung Obst- und
Gemüsehof Hennickendorf GmbH.
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Bis Ende 2001: Teilobjekt für das Instandsetzungsbataillon 410 Beelitz
2002: Beginn einer zivilen Nutzung des Objektes und Umwandlung in den Pegasus-Park
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Ein letztes Wiedersehen in der Kaserne gab es für die „Ehemaligen“ am 9. September 2006. Den Bunker konnte man zu diesem Zeitpunkt nicht mehr betreten, im Kinosaal wurde
aber ein Video-Film aus vergangenen Hennickendorfer Tagen gezeigt.
Über das Treffen berichte 3 Tage später auch die „Luckenwalder Rundschau“, eine Lokalausgabe der „Märkischen Allgemeinen“:
Spuren der Geschichte
Ehemalige Militärangehörige besuchen Hennickendorfer Pegasuspark
Margrit Hahn
Hennickendorf ■ Zu einem Treffen ehemaliger Armeeangehöriger hatte der Pegasuspark in Hennickendorf eingeladen. Seit im November 2001 die Bundeswehr das
Kasernen-Objekt verlassen hatte, kamen immer wieder Ehemalige der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Bundeswehr, die früher dort ihren Dienst verrichtet haben,
um sich umzuschauen. „Wir ließen uns die Adressen geben und versprachen, ein Treffen zu organisieren“, erzählt Lieselotte Holte vom Pegasuspark, bei der rund 100
Anmeldungen eingingen.
Manfred Reimann aus Luckenwalde war nach 46 Jahren erstmals wieder auf dem Kasernengelände. Er gehörte 1960 zu denen, die das Objekt mit Doppelstockbetten und Spinden
einrichteten.
Der ehemalige Unterfeldwebel Ronald Koch erinnert sich noch gut an seine dreijährige Dienstzeit von 1984 bis 1987. „Ich war nur zwölf Kilometer von zu Hause weg und
trotzdem war es am Ende der Welt“, erzählt der 40-Jährige, der sich noch gern an Beckmanns Kneipe, die einzige Gaststätte im Ort, erinnert. Joachim Herbert war extra
aus Gotha angereist. Zehn Jahre hat er in Hennickendorf gedient. „Jetzt im Nachhinein stelle ich fest, es war eine schöne Zeit“, sagt er. Auch Gerhard Koch, einst
Oberstleutnant und von 1969 bis 1989 in Hennickendorf tätig, denkt gern an die Zeit zurück.
Mit gemischten Gefühlen kam Joachim Reinicke zum Treffen. Er war 1976 degradiert worden und musste die Nationale Volksarmee unfreiwillig nach sieben Jahren wegen
Westverwandtschaft verlassen. „Ich habe meine Stasiunterlagen eingesehen und festgestellt, dass 39 Informelle Mitarbeiter (IM) auf mich angesetzt waren“, berichtet Joachim
Reinicke, der heute als selbstständiger Kfz-Meister in Luckenwalde arbeitet. Er begann mit 50 Jahren noch eine Meisterausbildung. „Wäre ich ein paar Jahre länger bei
der Armee gewesen, wäre ich heute längst Pensionär“, sagte der 57-Jährige, der in Hennickendorf sieben Jahre seinen Dienst im Bunker verrichtete.
Allerdings wurde über den offiziell nie gesprochen. Intern gab es unterschiedliche Bezeichnungen wie beispielsweise P-Zone. „Dass der Bunker heute nicht besichtigt
werden kann, stört mich nicht. Ich habe lange genug drin gearbeitet und weiß, wie er aussieht“, sagte Reinicke.
Die Geschäftsleitung des Pegasusparks als Mieter des Geländes hatte extra ein Merkblatt verfasst. Darin wurde erklärt, dass der Bunker aus Sicherheitsgründen
nicht begehbar ist. Mit der Wiedervereinigung wurde dieser demilitarisiert. Das heißt, es gibt kein Licht, die Aus- und Zugänge wurden zugeschweißt und alle
Gerätschaften (Dieselaggregate, Öltanks, Wasserversorgung und Mobiliar) entfernt. Dafür wurde am Sonnabend im Kinosaal auf Großbildleinwand ein Film über die unterirdische
Anlage gezeigt.
Auf 18 Jahre Dienst in der NVA und 15 Jahre in der Bundeswehr blickt Wolfgang Queck zurück. Er war bis 2002 in Hennickendorf und erlebte die Wende in der Armee mit.
„Ich war einer der letzten NVA-Soldaten und habe hier die Übergabe vorbereitet. Ich musste die Technik sichern, die von der Bundeswehr übernommen wurde. Ich hatte
Glück im Unglück. Wäre die Wende einen Monat später gekommen, hätte man mich zum Oberstabsfähnrich befördert. Dann hätte man mich aber nicht in die Bundeswehr übernommen“,
sagt Wolfgang Queck, der zwei Einsätze im Kosovo und einen in Bosnien miterlebte und jetzt pensioniert ist. |
9. September 2006: Ein gelungenes Wiedersehen vieler Ehemaliger in ihrer ehemaligen Kaserne |
Was bleibt
Nach 1990 zeichneten viele Medien ein recht reißerisches Bild über die Bunkeranlagen auf dem Territorium der DDR und geizten nicht mit Schlagzeilen wie
„Schattenreich der Genossen“, „Bombensichere Welt für NVA-Generäle“, „Tödliche Wälder“, „Geheimste Geheimnisse der DDR“ und ähnlichem. Angestachelt wurde von ihnen
unbedarfter Voyerismus bei gleichzeitig bewusster Ausblendung der historischen Hintergründe, die zum Bau solcher Bunker führten - als hätte es all die Jahre des
Kalten Krieges und die zwei sich feindlich gegenüberstehenden Blöcke gar nicht gegeben.
Auch die westliche Seite beabsichtigte nicht, ihre Streitkräfte aus „Holzfällerhütten mit Telekom-Anschluss“ zu führen. Der mittlerweile von der NATO aufgegebene
Kommando-Bunker Boerfink, genannt „Erwin“, nahe dem pfälzischen Birkenfeld im Hunsrück, kann augenscheinliches Beispiel dafür sein, vom alten BRD-Regierungsbunker in
Ahrweiler ganz zu schweigen.
Manche Journalisten negieren geflissentlich die Tatsache, dass die verbunkerten Einrichtungen der Führung von Truppen dienten. Statt dessen basteln sie an der Mär vom
atomsicheren Unterschlupf, in dem man das eigene Leben zu retten gedachte, während „draußen die Welt unterging“. In einem Vortrag dazu meinte Bunkerforscher Paul Bergner
im März 2006 sarkastisch: „Der Moment, da die Überlebenden die Toten um ihren schnellen Tod beneidet hätten, blieb allen erspart.“
Dem sollte man hinzufügen: „Dank der Präsenz der NATO mindestens genauso wie einem ernstzunehmenden Warschauer Vertrag“. Alles zu seiner Zeit und alles in seiner Zeit.
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Auflagensteigernd: Horror-Szenarien, die von der Boulevard-Presse in grellen Farben gemalt wurden |