Wer mit wachem Verstand die Entwicklung der DDR in den 80er Jahren verfolgte, dem entging nicht die Zunahme diverser Widersprüche in der gesellschaftlichen Entwicklung.
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Abbildung 6.1 Zumindest in der Kaserne galt „die Zustimmung zu den Kandidaten der Nationalen Front“ bei Wahlen (Foto entstand 1988) fast bis zum Schluss als sichere Sache.
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Auch wenn die NVA von vielen Problemen „abgeschirmt“ wur-de, diskutierte man im engen Freundeskreis, in der Familie und manchmal auch im Dienst- beziehungsweise
Arbeitskollektiv schon die auffallenden Merkwürdigkeiten. Engpässe in den Kaufhallenregalen kamen dabei genauso zur Sprache wie das Verbot der sowjetischen
Monatszeitschrift „Sputnik“ in der DDR 1988 oder gewisse bürgerbewegte Widerstände gegen die Wahlergebnisse vom Mai 1989 und das nachfolgende massenhafte Verlassen
ihres Landes durch junge Leute.
Die mit der „Wende“ vom DDR-Verteidigungsministerium zögerlich in Gang gesetzte Militärreform brachte zunächst lediglich optische Änderungen. Anfang Januar
1990 trat in der gesamten NVA eine äußerst kritische Situation ein, welche wegen des unentschlossenen Handelns der Armeeführung nicht entschärft werden konnte.
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Abbildung 6.2 Die „Märkische Volksstimme“ schrieb am 17. November 1989 unter dieses Zeitungsfoto: „Abkommandiert. Christian Paßberg aus Berlin dient
eigentlich als Unteroffizier auf Zeit in der NVA-Dienststelle Hennickendorf. Von Beruf ist er Fachverkäufer für Fleisch- und Wurstwaren. Um die prekäre Situation in
den Verkaufsstellen unseres Kreises zu entschärfen, unterstützt er seit Mittwoch die Kolleginnen im HO-Fleischwarenladen auf dem Luckenwalder Boulevard.“
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Naheliegender jedoch war das Kompensieren von Lücken in Kasernenalltag in der WE-32, die im Januar 1990 durch die ministeriell verfügten vorzeitigen Entlassungen von
Soldaten und Unteroffizieren entstanden.
Eine spannende Erfahrung für die militärische Führung der Wartungseinheit war die Öffnung in Richtung Zivilbereich. Die Zeit der Runden Tische brachte es mit sich,
dass Bürgerkomitees wie auch Vertreter der neuen Macht in der Kreisstadt der Kaserne Hennickendorf einen Besuch abstatteten und sich vor Ort
über Charakter und Aufgaben der Dienststelle informierten. Ihr Wunsch waren beispielsweise offene, allerdings nach Dienstgradgruppen getrennte Gespräche mit den Soldaten,
Berufsunteroffizieren, Fähnrichen und Offizieren. Klar war außerdem, dass man zu diesem Zeitpunkt nicht mehr krampfhaft verschweigen musste, dass es hier ein unterirdisches
Schutzbauwerk gibt.
Berührungsängste gab es im Großen und Ganzen keine und mancher der Beteiligten spricht beispielsweise auch Jahre später voller Hochachtung über das Auftreten von Pfarrer
Detlev Riemer aus Luckenwalde.
Andererseits: So mancher in der Kaserne konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, als er in seiner regionalen Tageszeitung
„Märkische Volksstimme“ ein Foto des nunmehr „Bürgerbewegten“ Horst W. sah. So schnell also konnte die Wende auch für einen gewesenen Major der Militärabwehr verlaufen...
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Abbildung 6.3 Die Tabelle der MRP-Tagesschlüssel für die Nachrichtenkräfte der HNZ-4 Hennickendorf lag gedruckt zwar schon für den Zeitraum bis Feb­ruar 1991 vor -
sie verlor aber mit dem 3. Oktober 1990 für immer ihre Gül­tigkeit. |
Wenn zu jener Zeit etwas wirklich pro­blematisch war, dann war es die Sorge vie­ler Berufssoldaten um ihre Zukunft nach den letzten DDR-Volkskammerwahlen (18. März 1990).
An der fehlenden Perspektive für die NVA änderte auch die von „Hammer, Zirkel und Ährenkranz“ befreite Mützenkokarde oder die Ablegung des geänderten Fahneneides am
20. Juli 1990 nichts.
Am 2. Oktober 1990 wurde - wie in allen NVA- Dienststellen - befehlsgemäß die Dienstflagge eingezogen. Das Kommando zum Flaggeneinholen gab der Stellvertreter
des Stabschefs.
Zudem mussten an jenem Tag um 24 Uhr alle Hochspannungssicherungsanlagen im Hauptobjekt und den drei Außenanlagen abgeschaltet werden. Um Mitternacht zogen die Soldaten
der Objektwache als erste die neue Bundeswehruniform an.
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1989: Zunehmender Frust bei vie­len Bürgern der DDR blieb auch den Soldaten nicht verborgen
Besuch vom Bürgerkomitee in der Kaserne
02.10.1990: Der Stellvertreter des Stabschefs durfte das Flaggeneinholen kommandieren - den Bunker betreten durfte dieser Stellvertreter hingegen nicht.
Auch eine Art Sicherheits-Paranoia gegenüber dem, der den StKSC in seiner Abwesenheit vertreten musste
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