Raketentechnische Basis 2 - Chronik



Die Raketentechnische Basis 2 der Nationalen Volksarmee

- Ein geschichtlicher Abriss -

© Jörg Hertwig 1990 - 2014
14. erweiterte Überarbeitung 2014

„Logistik ist nicht alles, aber ohne Logistik ist alles nichts“


5. Neue militärische Herausforderungen in den 80-er Jahren (1983-1989)


Das Ende der 1970er und der Beginn der 1980er Jahre war militärpolitisch durch einen neuerlich ansteigenden Konfrontationskurs der Militärblöcke gekennzeichnet.



Abb. 5.1 Mittelstreckenrakete RSD 10 (NATO-Code SS-20 „Saber“:
Reichweite 5000 km, 16,49 m lang, 42,7 t schwer

Die NATO fühlte sich durch die neuen sowjetischen Mittelstreckenraketen RSD-10 (NATO-Code SS-20 „Saber“) bedroht und beschloss 1979 die unter dem Begriff „Nachrüstung“ bekannt gewordene Aufstellung neuer Waffensysteme in West­europa. Im Herbst 1983 wurde damit begonnen, in Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Deutschland und in Italien amerikanische Flügelraketen BGM-109 TOMAHAWK sowie in Deutschland Mittelstreckenraketen MGM-31B PERSHING II zu stationieren. Der Warschauer Pakt verlegte seinerseits Mittelstreckenraketen 9M76 TEMP-S (NATO-Code SS-12b SCALEBOARD) aus Osteuropa in die DDR und in die CSSR. Eine neue „Eiszeit“ in den blockübergreifenden Beziehungen drohte sich anzubahnen.


Abb. 5.2 Mittelstreckenraketenkomplex 9K76 TEMP S (NATO-Code SS-12b SCALEBOARD) - von 1983 bis 1988 auch in der DDR (in den Räumen Waren sowie Königsbrück) stationiert

Auch in der Sowjetunion herangereifte militärtechnische Fragen zwangen zu neuen Überlegungen in der NVA.

Bemerkungen zur Versorgung der NVA mit Raketen ab Mitte der 1980-er Jahre
Im Jahre 1976 wurde der neue TR-Komplex 9K79 TOTSCKA (NATO-Be­zeichnung SS-21) in die Sowjetarmee eingeführt; 1980 folgte die Einführung des neu ent­wickelten OTR-Komplexes 9K714 OKA (NATO-Bezeichnung SS-23).
Daraus ergaben sich zwei Folgerungen:
1) Nach und nach müssten weitere Armeen des Warschauer Vertrages mit diesen neuen
   Raketenkomplexen ausgerüstet werden
2) Ein Produktionsende der nunmehr „veralteten“ taktischen Raketen 9M21 LUNA M
   und der operativ-taktischen Raketen 8K14 sei absehbar.
Über letztere Tatsache waren sicher die höchsten Kreise der NVA wie auch der VRWD informiert, nicht aber unbedingt die Truppe. Dort kamen lediglich neue Richtlinien bezüglich der Verlängerung der Lagerfähigkeit der Träger an. Fakt ist jedoch, dass die Produktion von 8K14-Trägern in der UdSSR im Jahre 1984 eingestellt wurde! Es folgte wenig später auch die Produktionseinstellung der Triebwerke 9M21 LUNA M.
In die NVA wurden ab 1983 Raketenkomplexe 9K79 TOTSCHKA und ab 1985 OTR-Komplexe 9K714 OKA eingeführt.
Das nun folgende Problem: Mit dem INF-Vertrag 1987 verpflichtete sich die Sowjet­union zur Vernichtung ihrer Raketen 9M714 („SS-23“).
Die Folge: Es gab keinen entsprechenden Nachschub mehr für die NVA zu den bereits 25 erworbenen (1 davon 1987 verschossen) OKA-Raketen.
Und: Die 9M714 der NVA konnten nach dem Abschluss des INF-Vertrages lediglich mit den real noch vorhandenen 24 NVA-eigenen konventionellen Kassettengefechts­köpfen 9N74K bestückt werden.

In diesem sowohl militärpolitischen wie militärtechnischen Spannungsfeld ergaben sich neue Ansprüche an die Ausrüstung und Ausbildung in der Raketentechnischen Basis 2.


Bedrohungen und Nachrüstungen prägten das politische Klima: SS-20 / SS-12 hier, Pershing 2 und Tomahawk dort.





























Im allgemeinen Sprachgebrauch des Westens jener Jahre nistete sich der Begriff „SS-20“ für alle sowjetische Mittelstreckenra­keten ein. Deshalb geisterten oft Be­haup­tungen von der „Stationie­rung von SS-20 in der DDR“ durch die weslichen Medien

Unter Führung von Oberst Frieder Damm, und in enger Zusammenarbeit mit den Offizieren der VRWD des MfNV, wurden kurzfristig von Juli bis September 1983 Voraussetzungen geschaffen, um in der Gefechtsausbildung und bei der Wartung der Technik einen solchen Stand zu erreichen, der die Durchführung der Übung „Monsun-83“ mit besseren Ergebnissen als im Vorjahr sichern sollte.
Wie in den anderen, dem Kommando der Landstreitkräfte unterstellten Raketentrup­penteilen üblich, wurden erstmalig 1983 auch in der dem Ministerium unterstellten RTeB-2 Zulassungen der Technik und des Personalbestandes zu den Batterie- und Basisübungen durchgeführt. Die Zulassungen beinhalteten:
• Kontrolle des technischen und Wartungszustandes der Spezialtechnik,
• Überprüfung der Kenntnisse der Offiziere, Fähnriche, Unteroffiziere und Soldaten
   auf theoretischem Gebiet,
• Überprüfungen in der Schutzausbildung, im Gefechtsdienst sowie in der Taktik.
Die Zulassungsüberprüfung galt fortan als 5. Ausbildungskomplex. Dem neuen Kom­mandeur gelang es in kurzer Zeit, den Personalbestand für die Aufgabenerfüllung neu zu motivieren. Dazu trug sein ausgeprägtes Gefühl für den achtungsvollen Umgang mit den Unterstellten bei. Die mit gutem Erfolg absolvierte Übung „Monsun-83“ ermutigte zum Streben nach höheren Zielen. So übernahmen die Angehörigen der RTeB-2 die Ver­pflichtung, im nachfolgenden Ausbildungsjahr um die anspruchsvolle Auszeichnung mit dem Titel „Bester Truppenteil“ zu kämpfen, welcher jährlich nur an höchstens 10 bis 15 Truppenteile in der gesamten NVA verliehen wurde.


1983 zum ersten Male auch in der RTeB-2: Durchführung von Zu­las­sungsüberprüfungen vor Übungen

Im Bestand der Technischen Batterie wurde 1983 unter Leitung von Oberleutnant Thomas Sporleder eine Prüfbasis für operativ-taktische Raketen gebildet, um nach gründlicher Ausbildung des Personalbestandes künftig die Regelarbeiten an den Trägern 8K14 selbst durchführen zu können. Hohen Anteil an den Ergebnissen der TeBttr hatte der Leiter des Lagerbereiches, Hauptmann Klaus-Peter Möller, dem die Technische Batterie ab 1983 führungsmäßig unterstellt war.


Abb. 5.3 Blicke in das „Innenleben“ eines Trägers 8 K 14

Nicht im Dienstplan hingegen stand ein BV, über welches auch noch nach Jahren der Mantel des Schweigens gelegt wurde.

Ein Besonderes Vorkommnis - aber nicht an der Raketentechnik
Nicht geplant war der im Herbst 1983 durchgeführte Test der Funktionsfähigkeit der Hochspannungssicherungsanlage (HSA). Beteiligte: Zwei Gruppen Spezialaufklärer, ein genervter Wachhabender, ein OvD, ein HSA-Schaltberechtigter und hinterher: Der Kommandeur, seine vorgesetzten Chefs und die Staatssicherheit.
Die Fernaufklärer des Aufklärungsbataillons 1 wollten endlich mal eine richtige Auf­gabe lösen und suchten sich dafür ein ihnen nicht bekanntes Objekt im Wald nahe des TÜP Lehnin aus. Entweder wissentlich oder „auf Verdacht“ verursachten sie einen Kurzschluss in der HSA der RTeB-2 und unterkrochen diese dann. Die Spezial­auf­klärer blieben dabei im Unterschied zu manchem Fuchs, Hasen oder anderem umher irrenden Kleingetier unverletzt. Stolz präsentierten die harten Jungs ihren Vorgesetz­ten im Aufklärungsbataillon die „nichtmaßstäblichen Skizzen“ vom Lagerbereich mit seinen vier großen und diversen kleinen Bunkern. Die Auswertung dieses Besonderen Vor­kommnisses hinter verschlossenen Dienstzimmertüren soll dem Vernehmen nach phasenweise laut gewesen sein. Der damalige Bataillonskommandeur: „Das gab im Nachhinein eine Menge Ärger und mehrere große Bahnhöfe“.

Abb. 5.4 Hochspannungssicherungsanlage

Einer der bei der „Aktion“ offensichtlich gewordenen Nachteile der HSA: Sie war nicht in einzelne Sektoren eingeteilt und so dauerte es ziemlich lange, bis die Wach­soldaten zu Fuß bis zur Ursache für den Ausfall gelangten.
Übrigens: Die technische Überarbeitung aller HSA in der NVA war eine Folge die­ses Feldversuches der Aufklärer.
(J. Hertwig)


1983: Bildung der Prüfbasis OTR

Die Raketentransportbatterien, die Führungsbatterie und die Instandsetzungs- und Ver­sorgungskompanie konzentrierten sich in der Ausbildung darauf, solche Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln, um bei der Basisübung „Monsun-84“ unbedingt mit der Note 1 bewertet werden zu können.

Abb. 5.5 Platz einer Raketentransportabteilung in der Gefechtsordnung einer Armee beziehungsweise Front

Nach der Zulassung, die mit guten und sehr guten Ergebnissen absolviert wurde, führte die RTeB-2 in der Zeit vom 18. bis 21. September 1984 die spezialtaktische Übung „Monsun-84“ durch. Das Thema der Übung lautete „Die Sicherstellung operativer Verbände der Landstreitkräfte mit Raketen, Trägern und Gefechtsköpfen durch eine Raketentrans­portabteilung zu Beginn eines Krieges“. Alle Armeeangehörigen gingen mit höchster Konzentration an die Aufgabe. Hohes technisches Können und Exaktheit zeigten die Bedienungen bei der im Verlaufe der Übung real durchgeführten Entladung von Raketen und Trägern aus Eisenbahnwaggons im Standort WOLFSRUH. Die an­schließende Zuführung der Raketen und Träger erfolgte pünktlich und unter Beachtung aller For­derungen der Gefechtssicherstellung. Erstmals erprobte die RTeB-2 das Zu­sammenwirken mit einer zukommandierten Pionierkompanie, die während der Übung 12 Deckungen für Raketentransportfahrzeuge aushob.

Abb. 5.6 Der STMCTB Generaloberst Werner Fleißner (3.v.l.), der am 4.10.1984 die Schleife eines „Besten Truppenteils“ an die Fahne der RTeB-2 heftete, überzeugte sich zuvor persönlich im Gelände vom Können seiner Soldaten

Abb. 5.7 Soldatenauszeichnungen der NVA: 1   Bestenabzeichen, 2  Militärsportabzeichen, 3  Sportabzeichen, 4  Abzeichen für gutes Wissen, 5  Klassifizierungsabzeichen, 6  Schützenschnur

Insgesamt wurde die Übung mit „sehr gut“ bewertet und stellte die wichtigste Voraus­setzung für die Auszeichnung der RTeB-2 als „Bester Truppenteil“ dar. Am 4. Okto­ber 1984 zeichnete Generaloberst Werner Fleißner, Stellvertreter des Mini­sters und Chef Technik und Bewaffnung, die Basis mit der Fahnenschleife eines „Besten Trup­penteils“ aus. Die IVK unter Leitung von Major Klaus Neuhaus, die 2. RTBttr unter dem Kom­mando von Major Klaus Höhne und die Führungsbatterie von Hauptmann Eike Scheda errangen die Bestentitel so­wohl im 1. als auch im 2. Ausbildungs­halbjahr.
Das Personal der Technischen Batterie, das nicht unmittelbar in die Übungsvor­bereitung einbezogen war, hatte die zahlenmäßig stark zugenommenen Regelarbeiten an den Fla-Raketen 3M8 und 3M9 zu bewältigen. Gemeinsam mit den Angehörigen des Lagerbereiches übten sie die Technologie des Entladens von Fla-Raketen aus Eisenbahnwaggons.


Monsun-84: „Die Sicherstellung operativer Verbände der Land­streitkräfte mit Raketen, Trägern und Gefechtsköpfen durch eine Raketentransportabteilung zu Beginn eines Krieges“




















































Oktober 1984: Auszeichnung der RTeB-2 als „Bester Truppenteil“

Abb. 5.8 Start einer Rakete 9M79 TOTSCHKA

Am Rande des Geschehens erlebten die Soldaten der RTeB-2 am 21. Juni 1984 eine nachdenklich stimmende Episode im Umgang der DDR-Oberen mit „ihren Menschen“. An diesem Tage besuchte SED-Generalsekretär Erich Honecker mit NVA-Generälen Truppen auf den Übungsplätzen Leh­nin und Klietz. Das Protokoll sah vor, dass Honecker mit dem Regierungs­zug, der auf dem Bahn­anschlussgleis der RTeB-2 bereit stand, nach Rathe­now fuhr, um dort auf dem Klietzer Übungsplatz höchstpersönlich eine Totschka-Rakete zu starten. Der an­gekündigte Besuch und die strengen Weisungen aus den übergeordneten Dienststellen veranlassten den Kom­mandeur der Basis, die militärische Ausbildung zeitweilig vom Dienstplan zu strei­chen und die Truppe in ein „Besen­ge­schwader“ umzufunktionieren. Die Besucher waren noch in weiter Ferne, da gab eine Inspektion der anderen die Klinke in die Hand. Die abschließende Kontrolle, vor allem des Zustandes und der Sauberkeit des Eisenbahngleises und seines Umfeldes über­nahmen Vertreter der Staatssicherheit. Für den großen Tag galt dann die verbindliche Weisung „Niemand schaut aus dem Fenster heraus oder lässt sich gar irgendwo blicken“. Keiner sollte den „Landesvater“ zu Ge­sicht bekommen. Hatte er etwa Berührungsängste gegenüber „seinen Menschen“? Sah so seine Volksverbundenheit aus? Zumindest in Brück blieb es ein Truppenbesuch ohne die dazugehörige Truppe. Es war ein schnelles Eilen durch eine Geisterstadt zum bequemen Zug.     (J. Hertwig)

OSL Hans Rackowiak erinnert sich an den Totschka-Start: „Auch ich war 1984 in die „Vorführung“ vor dem Politbüro in Stechow als Kommandeur der RA-1 involviert. Wir mussten die „schlechte Luna M“ zeigen, OSL Bergmann, Kommandeur der RA-9, mit seiner Raketenabteilung die „gute Totschka“. Generaloberst Horst Stech­barth, der Chef Landstreitkräfte, hat am 15.6.1984 die erste „Totschka“ gestartet, erst die zeite durfte dann Erich Honecker am 21. Juni bei der genannten Vorführung persönlich starten.
Da nun eine Rakete im Kampfsatz fehlte (kostete ja richtig Geld!), wurde der Start dann der RA-9 bei der nächsten Übung angerechnet“.


21. Juni 1984: Honecker-„Besuch“ in der RTeB-2

Das Ausbildungsjahr 1985 setzte mit der spezialtaktischen Übung „Monsun-85“ in der RTeB-2 neue Maßstäbe. Erstmalig wurden Elemente einer Teilmobilmachung einer ganzen Raketentransportabteilung in den Übungsablauf einbezogen. Aus Teilen der aktiv in der RTeB-2 Dienenden und aus Reservisten wurde diese Abteilung formiert, wie es auch die realen Planungen vorsahen.
Die Mobilmachungselemente konnten nicht vorher geübt werden und erst die Einberufung und Kurzausbildung der Reservisten konnte beweisen, ob der Stab in Vorbereitung der Übung alles richtig geplant hatte. Die Reservisten zeigten sich aufgeschlossen und trugen wesentlich zum Gesamterfolg der Übung bei. Da die übergroße Mehrheit der beteiligten Reservisten aus dem Kreisgebiet Belzig einberufen wurde, förderte das gemeinsame militärische Üben zugleich den Kontakt zwischen Truppe und Territorium.



Abb. 5.12 Abschlussappell bei „Monsun-85“. Es spricht der Sekretär Siegfried Clausnitzer von der SED-Kreisleitung Belzig.
Dahinter (v.l.nr.): Oberst Frieder Damm, Generalmajor Heinz Hampel, Oberst Hans-Jörg Bischoff, Oberst Erwin Max, OSL Martin Bethke, Schulrat Lorenz, WKK-Leiter Kaufmann, OSL Jörg Hertwig


1985: Praktische Erprobung der Mobilmachung einer Raketen­transportabteilung

Abb 5.13 Generalmajor Alexej Petrowitsch Sa­charow

Am 20. Mai 1985 fand auf einem sowjetischen Übungsplatz im Raum BARUTH ein militärischer Leistungsvergleich zwischen der RTeB-2 und zwei raketentechnischen Einheiten der GSSD aus den Standorten FÜRSTENWALDE und OSCHATZ statt.
Als Leitender begrüßte der damalige CRWD der GSSD, Generalmajor Alexej Petrowitsch Sacharow, die Bedie­nungen und Besatzungen.
Zuerst wurden die Transportmöglichkeiten von Fla-Ra­keten 3M9 mittels der in der NVA genutzten Kraft­fahr­zeuge „Tatra-148“ und den in der Sowjetarmee ver­wen­deten „Kamas“ demonstriert. Höhepunkt bildete der Ge­fechtsdienst mit Spezialtechnik und OTR-Trägern 8K14.

Abb 5.14 Die CRWDs der NVA und der GSSD, Generalmajor Heinz Hampel (2.v.l.) und Generalmajor Alexej Petrowitsch Sacharow (4.v.l.) begrüßen die Teilnehmer des 1985er Leistungsvergleiches

Der russische General zollte den deutschen Bedienungen hohe Anerkennung. Während seine eigenen Männer zwar bei den Normzeiten besser waren, traten aber dafür bei der deutschen Bedienung keinerlei Verstöße gegen technische und Sicherheitsbe­stimmun­gen auf. Die Russen verzapften im Eifer des Wettbewerbes fast eine lehrbuchreife Ha­varie.

Abb 5.15 Militärischer wie auch sportlicher und kultureller Leistungsvergleich der NVA- und GSSD-Einheiten aus Brück, Fürstenwalde und Oschatz im März 1987


Abb 5.16 Ausgewählte Offiziere und Spezialisten erhielten nach dem Leistungs-
vergleich das sowjetische Klassifizierungsabzeichen


Abb 5.17 Oberstleutnant Wassili Iwanowitsch Sidorjak

Dank des hohen persönlichen Engagements von Oberstleutnant Wassili Iwanowitsch Sidorjak, Kommandeur der in OSCHATZ stationierten sowjetischen 271. Parkabteilung (Raketentrans­port­abteilung), konnten Leistungsvergleiche ähnlicher Art wiederholt werden. Mit den nach­folgenden russischen Kommandeuren - sowohl in OSCHATZ (FPN 86668) als auch in FÜRSTEN­WALDE (FPN 73660) - konnte diese Qualität der Zusammenarbeit nicht mehr erreicht werden, bis die Waffenbrüder­schaftsbeziehungen zu den Oschatzer Freunden am 23. August 1990 - im Vorfeld der Wiederher­stellung der deutschen Einheit und des Endes der DDR-Mitgliedschaft im Warschauer Pakt - offiziell beendet wurden.

März 1985: Der Chef RWD der GSSD leitete einen deutsch-russischen Leistungsvergleich
























































































Am 23. 8.1990 endeten die Partner­schaftsbeziehungen der RTeB-2 zu den russischen Einheiten

Insgesamt gesehen waren die frühen 80er Jahre von widersprüchlichen Bestrebungen in der Welt, im sozialistischen Lager aber auch in den einzelnen sozialistischen Ländern gekennzeichnet. Während die sowjetische Führung auf eine neue massive „Eiszeit“ zwi­schen den Blöcken zusteuerte, erklärte Honecker der Welt - und auch sehr zu Verwun­derung seiner Moskauer Partner - im Jahre 1983 medienwirksam, dass „das Teufelszeug weg müsse“*. Gemeint waren die nunmehr in der BRD stationierten PERSHING II und die in der DDR vorwärtsbasierten sowjetischen 9K76 TEMP S - Raketen.
Anderes hatte der SED-Generalsekretär mit seinem „Teufelszeug“- Spruch wahr­schein­lich nicht im Sinn. Fakt ist nämlich, dass in seinem eigenen Lande für die NVA auch ein neues Raketenzeitalter begann. Im Jahre 1983 kamen die ersten neuartigen TR-Komplexe 9K79 TOTSCHKA in die Raketenabteilung 9 (SPECHTBERG) und im Jahre 1985 wurde die III. RA der 5. Raketenbrigade (DEMEN) mit 4 hochmodernen OTR-Komplexen 9K714 OKA ausgerüstet.

(* siehe unter anderem auch: Bericht des Politbüros an die 9. Tagung des ZK der SED, 22.11.1983)

Abb 5.18 Neu in der NVA - von links: Der taktische Raketenkomplex 9K79 TOTSCHKA (SS-21 „Scarab“) und der Operativ-taktische Raketenkomplex 9K714 OKA (SS-23 „Spider“)


Übersicht: Boden-Boden-Raketen der NVA in den 80er Jahren
 
BezeichnungNATO-CodeEinführg.Einführg.
CANVA

8K14 „R-300“SS-1C Scud B19621964
9M714 OKA SS-23 Spider19801985
9M21 LUNA MFrog 719651968
9M79 TOTSCHKASS-21 Scarab19761983



1983: Honecker löst mit seiner eigenmächtigen Forderung „Das Teufelszeug muss weg“ auch in Moskau einige Verwunderung aus

In der RTeB-2 wurde zu gleicher Zeit der festgelegte operative Vorrat der neuen OTR-Raketen 9M714 OKA eingelagert (Anmerkung: die NVA verfügte zwischen 1985 und 1990 über insgesamt 25 OKA-Raketen, davon 4 in der 5. RBr, 8 in der BRTB-5, 12 in der RTeB-2. Eine Rakete wurde am 31.8.1987 in Kapustin Jar verschossen).

Abb 5.19 Hinter den dicken Wänden des Bunkers 67/2 wurden ab dem 28. August 1985
12 Raketen 9M714 OKA gelagert


Abb. 5.20 Eine Seite aus dem Original-Raketenbegleit-Pass Nr. 851319 einer
9M714 OKA der RTeB-2: 28.08.1985 Beginn der Lagerung


Mit dem neuen KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow betrat 1985 ein Mann die weltpolitische Bühne, der gewillt war, das Weltgeschehen einschneidend zu ändern. Aus der Erkenntnis heraus, dass es in einem möglichen Atomkrieg weder Sieger noch Be­siegte geben kann, begründete er das „neue Denken“, dem eine Periode der Entspannung zwi­schen den Supermächten folgte. Eine Folge dieses mühsam in Gang gekommenen Dia­loges und Höhepunkt des Jahres 1987 war die Unterzeichnung des INF-Vertrages über die Beseitigung atomarer Mittelstreckenwaffen durch Michail Gorbatschow und Ronald Reagan. Gleichzeitig verpflichtete sich die Sowjetunion im Rahmen dieses Ab­kommens, auch ihre Mittelstreckenraketen vom Typ SS-23 zu zerstören. 1988 setzte die Vernichtung der Raketen unter anderem in Saryosek, Lesnaja, Sarny und Kapustin Jar ein.

1985: In der RTeB-2 werden 12 Raketen 9M714 OKA eingelagert; die dazugehörigen (konventionel­len) Gefechtsköpfe 9N74K folgen wenig später nach

























Bunkerbelegung
(Ende der 80er Jahre)

Bu 64/re: 9M21 (LUNA M)
            plus 9M21-GK
Bu 64/li: 3M8 KRUG
Bu 65/re+li: 3M8 KRUG
Bu 66/li: 3M8 KRUG
Bu 66/re: 3M9 KUB
Bu 67/li: 3M9 KUB
Bu 67/re: 9M714 OKA
            und 9M79 Totschka

Die Träger 8K14 befanden sich in einigen kleineren Bunkern
(Bu 11- 13, Bu 34, Bu 36).

Auszug ausVertrag zurVernichtung aller Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag), unterzeichnet am 8. Dezember 1987 von Ronald Reagan und Michail S. Gorbatschow:

Artikel I
Im Einklang mit diesem Vertrag ... wird jede Vertragspartei ihre Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite beseitigen, solche Systeme danach nicht besitzen und die anderen in diesem Vertrag niedergelegten Verpflichtungen erfüllen. ...
Artikel III
1. Für die Zwecke diesesVertrags sind vorhandene Typen von Flugkörpern mittlerer Reichweite
a) in bezug auf die Vereinigten Staaten von Amerika Flugkörper der Typen, die von den Vereinigten Staaten von Amerika als Pershing II und BGM-109G bezeichnet werden und in der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken unter den selben Bezeichnungen bekannt sind, und
b) in bezug auf die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Flugkörper der Typen, die von der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als RSD-10, R-12 und R-14 bezeichnet werden und in den Vereinigten Staaten von Amerika als SS-20, SS-4 beziehungsweise SS-5 bekannt sind.
2. Für die Zwecke dieses Vertrages sind vorhandene Typen von Flugkörpern kürzerer Reichweite

Abb 5.21 Sprengung von russischen Mittel- streckenraketen in Saryosek

a) in bezug auf die Vereinigten Staaten von Amerika Flugkörper des Typs, der von den Vereinigten Staaten vom Ame­rika als Pershing Ia bezeichnet wird und in der Union der Sozialistischen Sowjet­republiken unter derselben Bezeichnung bekannt ist, und
b) in bezug auf die Union der Sozialis­tischen Sowjetrepubliken Flugkörper der Typen, die von der Union der Sozia­listischen Sowjetrepubliken als OTR-22 und OTR-23 bezeichnet werden und in den Vereinigten Staaten von Amerika als SS-12 beziehungsweise SS-23 be­kannt sind.

Bevor es aber zur Vernichtung des auch in Brück lagernden so genannten „Teufels­zeuges“ kam, sollten noch einige Jahre vergehen. Bis dahin wurde so getan, als gäbe es diese Raketen gar nicht. Das gefährliche Kürzel „9M714“ führte manchmal auch zu skurrilen Zungenverdrehern bei den wenigen eingeweihten Berufssoldaten.


Der 1987er INF-Vertrag besagt ganz eindeutig, dass es sich bei der Beseitigung von Raketen mittlerer und kürzerer Reichweite nur um solche der „Vertragsparteien“ - also der UdSSR und der USA handelt. Diese Feststellung ist insofern wichtig, da spätere Geschichts­verfälscher bewusst ignorieren, dass die DDR kein „Vertragspart­ner“ und folglich auch ohne irgend­welche Verpflichtungen war

AbbAbb 5.22 Oberst Damm bei seiner Festrede zum 30. Jahrestag der NVA

Am 1. März 1986 beging die NVA den 30. Jahrestag ihres Bestehens. Oberst­leutnant Martin Bethke wurde als erster Offizier aus den der VRWD nachge­ord­neten Truppen durch den Verteidigungs­minister mit dem Ehrentitel „Verdienter Angehöriger der Nationalen Volksarmee“ ausgezeichnet. Ansonsten gab es in ge­wohnter Weise zahlreiche Beförderun­gen, Prämien und Auszeichnungen.


30. Jahrestag der Gründung der Nationalen Volksarmee am 1. März 1986

Am 1. Dezember 1986 trat wiederum ein neuer STAN in Kraft. Die Vielfalt der Profile in den Raketentransportbatterien hatte sich in der Praxis nicht so bewährt wie ursprünglich gedacht. Aus den beiden Gemischten Transportbatterien entstanden eine Raketentrans­portbatterie (für Boden-Boden-Raketen und Gefechtsköpfe) sowie eine Fla-Raketen­transportbatterie mit je zwei Transportzügen und einem Zug Technische Sicherstellung.

Abb 5.23 Entfaltungsraum einer RTAbt (10 x 10 km) - ab 1986 mit 3 Transportbatte­rien und insgesamt 1000 Mann Personal

Auch die geänderte Struktur gewährleistete die Anforderungen an die Mobilmachung von zwei im Ernstfall zu formierenden Ra­ketentransportabteilungen. Allerdings be­stand nun jede Abteilung aus drei statt bis­her zwei Transportbatterien. Eine Batterie hatte ausschließlich dem Transport von Gefechts­köpfen zu dienen. Zusätzlich ne­ben den Transportbatterien gehörten zu solch einer Abteilung neben dem Gefechts­stand eine Führungsbatterie, eine Instand­setzungs- und Versorgungskompanie, zwei Sicherungs­kompanien, umunterstellte Pio­nierkräfte und eine Raketentreibstoffkom­panie. Der Per­sonalbestand betrug statt 600 nun knapp 1000 Soldaten.
Unter strenger militärischer Geheimhaltung wurden in jenen Jahren Fragen des Trans­portes von Gefechtsköpfen behandelt und in den Mittelpunkt neuer Überlegungen der Verwaltung Raketen- und Waffentechnischer Dienst des Verteidigungsministeriums gestellt. Neben den strukturmäßigen isothermischen Gefechtskopftransportfahrzeugen 9F223 wurden einige Sattelauflieger der Fahrzeuge Tatra-148 und Tatra-815 so um­gebaut, dass sie zum Gefechtskopftransport geeignet waren. Die RTeB-2 erhielt zu­gleich vom Chef RWD, Generalmajor Hampel, die Aufgabe, die Transportkarren für den Hubschrau­ber­transport der Gefechtsköpfe durch den geeigneten Anbau von Gleit­schienen „winter­fest“ zu machen.
Für die Kommandeure und Stabschefs der beiden im Kriegsfall zu bildenden Rake­tentransportabteilungen lagen je ein spezieller russischer Ausweis (Propusk) für den Empfang und Transport der in der NVA nicht vorhandenen Spezial-Gefechtsköpfe versiegelt im persönlichen Fach des Kommandeurs in der VS-Stelle (das Behältnis trug im Übrigen als allereinziges VS-Dokument in der Raketentechnischen Basis 2 den Geheim­haltungsgrad GKdos. Und es war auch das erste, was in der Zeit der Wende sofort zurück geholt wurde).

Abb 5.24 Isothermisches Fahrzeug 9F223 aus dem Bestand der RTeB-2

Die Tatsache, dass die sowjetische Seite auf dem Territorium der DDR Kern­waffen lagerte, wurde bis 1990 von allen Seiten konsequent verschwiegen. In seinem Buch „Geheime Bunkeranlagen der DDR“ 2003) listet der Autor Stefan Best jedoch 31 sowjetische Kernwaffen­depots in der DDR auf, darunter auch „zentrale Raketenkern­waffendepots in der Nähe von Himmel­pfort, Stolzenhain, Waren und Bischofs­werda“. Im Buch heißt es dazu: „Die NVA hätte im Kriegsfall und nach Freigabe durch das Oberkommando der GSSD aus zweien dieser Raketenlager (Himmelpfort und Stol­zenhain) nukleare Gefechtsköpfe übernommen“.

Abb 5.25 Nahe des Dorfes Stolzenhain südostwärts von Jüterbog befand sich eines der beiden sowjetischen Lager, in deren Bunkern Spezialgefechtsköpfe für die NVA-Raketen lagerten

Jedoch selbst in den geheimen operativen Gefechtsunterlagen der Verwaltung Raketen- und Waffentechnischer Dienst in Strausberg waren die Lager nicht aufgeführt, sondern lediglich die verabredeten „Übergabepunkte“. Mehr nicht. Und mehr dazu gab der mit diesen Planungen befasste hochrangige Zeitzeuge auch späterhin nicht preis.
Es bleibt der Phantasie jedes einzelnen überlassen zu spekulieren, ob die NVA-Trans­portfahrzeuge von den Übergabepunkten unter russischer Aufsicht zu den eigentlichen Lagern weitergeleitet worden wären, oder ob man die nuklearen Gefechtsköpfe in der Nähe dieser Übergabepunkte übernommen hätte. Gemäß der Einsatzprinzipien hätte die NVA allerdings nicht die Spezialgefechtsköpfe an sich übernommen, sondern jeweils die russischen Begleitoffiziere, die bis zum Verschuss bei ihren Gefechtsköpfen verblieben wären.

Abb 5.26 Entladung eines Gefechts­kopfcontainers aus einem 9F223

Abb 5.27 Allgemeine, zweisprachige Übergabevollmacht


1.12.1986: Erneute Änderung der Struktur





Struktur einer der im Soll II zu bildenden beiden Raketentrans­port­abteilungen ab 1986:
Stab, Führungsbatterie, 3 Trans­portbatterien, IVK. Hinzukommandiert wurden eine Raketentreibstoffkompanie und weitere Sicherstellungskräfte









Fragen des Transportes von Gefechtsköpfen erhielten ab 1986 einen besonderen Stellenwert









Das von den Sowjets geheim gehaltene Kapitel „Spezialgefechtsköpfe“ auf DDR-Territorium

Im Oktober 1987 wurde Oberst Frieder Damm nach Erreichen des 50. Lebensjahres auf eigenen Wunsch hin aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Er übergab das Kommando an Major Enders, der seit 1985 als Stabschef fun­gierte. Damit fand ein in den Jahren 1984 bis 1987 kontinuierlich verlaufender Verjüngungsprozess der mili­tärischen Führung einen zeitweiligen Abschluss.

Abb 5.28 Im Oktober 1987 übergab Oberst Frieder Damm die Truppenfahne und damit das Kommando über die RTeB-2 an den künftigen Kommandeur Major Friedbert Enders (re.)


Abb 5.29 Die militärische Führung der RTeB-2 zu Beginn ihres Verjüngungsprozesses im Jahre 1985 (v.l.n.r.) Hptm. Klaus-Peter Möller (LLB), Major Friedbert Enders (StKSC), OSL Horst Kunzendorf (StKRD bis 1985), Major Roland Herrmann (StKRD), Oberst Frieder Damm (Kommandeur), OSL Hans-Jürgen Franke (StKTB), OSL Bernd Holland-Letz (StKSC bis 1985), Major Martin Klichowicz (SZPL), OSL Jörg Hertwig (StKPA).
Auf dem Foto fehlen: OSL Martin Bethke (StKA), OSL Jürgen Lange (StKPA bis 1985)

Für die neu in verantwortliche Dienststellungen eingesetzten Offiziere war es nicht ein­fach, das in den letzten Jahren unter Oberst Damms Führung erreichte Niveau zu halten und fortzuführen. Andererseits konnte auch nicht zugelassen werden, dass in der Folgezeit irgendwelche Abstriche an der Gefechtsbereitschaft der Truppe gemacht werden.


1987: Abschluss des Generationswechsels.
Neuer Kommandeur:
Major Friedbert Enders

Mit hohem Engagement ging der neue StKTB, Oberstleutnant Roland Herrmann, mit seiner Arbeits­gruppe daran, den Zustand der Lehrgefechts- und der eingelagerten Gefechtstechnik zielstrebig zu verbessern. Dazu war es unumgänglich, ständige „nichtstrukturmäßige“ Wartungsgruppen mit eingespieltem Personal einzusetzen.

Abb 5.30 Wartungsarbeiten an Raketentransportfahrzeugen 9T29 (links) und isothermischen Fahrzeugen 9F223 (rechts hinten) in der Parkzone der RTeB-2


Abb 5.31 Der StKTB, OSL Roland Herrmann, führte viele durchdachte Neuerungen ein, so auch die „nicht­strukturmäßigen Wartungsgruppen“

Abb 5.32 Die Hallen 23 (hi.) und 25 (v.) wurden Werkstatt für Spezialarbeiten bzw. Prüfbasis OTR.

Günstig erschien für die Umsetzung einer neuen Hallenbelegungskonzeption der (bisher verschleppte) Baubeginn für neue Hallen und Unterstellflächen sowie die beginnende Instandsetzung der marode gewordenen anderen Hallen. In die beiden neu entstehenden Hallen sollte derjenige Teil der Mob.-Reserven untergestellt werden, der bisher noch außerhalb der RTeB-2 in den Munitionslagern WEICHENSDORF und WOLFSRUH gelagert wurde. Vorbereitungsarbeiten für den Bau einer zeitgemäßeren Werkstatt für Kraftfahrzeuge wurden getroffen, aber auf Grund knapper Staatskassen nie realisiert. Der Zug Spezialarbeiten der IVK erhielt in der Halle 25 (früher als Empfangspunkt für die Mobilmachung eingerichtet) eine eigene Werkstatt für Arbeiten an Raketentransport­vorrichtungen aller Art. Auch für die Prüfbasis OTR der TeBttr verbesserten sich mit der Nutzung einer eigenen Wartungshalle (Halle 23) die Arbeitsbedingungen bei den auf­wendigen Regelarbeiten an den Trägern 8K14. Gleichzeitig ermöglichte der Umzug der OTR-Prüfbasis nun endlich ein paralleles Arbeiten beider Prüfbasen der Technischen Batterie. Die Prüfbasis Fla-Raketen konnte den Technischen Wartungspunkt jetzt fast uneingeschränkt nutzen.
Das unter Leitung von Oberstleutnant Martin Bethke konzipierte und von der Verwaltung RWD bearbeitete „Rahmenprogramm für die Gefechtsausbildung in der RTeB-2“ wurde in die Ausbildungspraxis eingeführt und angewendet.


Zugleich erarbeitete die Arbeitsgruppe Ausbildung im Gefechtsdienst der Einheiten erprobte Änderungsvorschläge zu den vorhandenen Normenkatalogen, die teilweise am grünen Tisch des Ministeriums zusammengeschrieben waren. Im Besonderen galt es auch, die mit der neuen, 1987 verabschiedeten Militärdoktrin des Warschauer Paktes verbundenen Orientierung auf Verteidigungshandlungen in der Ausbildung umzusetzen. Elemente wie Sperren- und Deckungsbau erhielten einen höheren Stellenwert.

Abb 5.33: Um Entladeübungen aus Eisenbahnwaggons durchführen zu können, mussten bis Mitte der 80er Jahre jeweils Waggons bei der DR zum Anschlussgleis der RTeB-2 bestellt werden. Später gelang es, einen ausrangierten Güterwagen der DR auf ein Stück Gleis mitten ins Ausbildungsgelände Neuendorf zu bugsieren.



Wichtige Schritte zur Verbes­se­rung des Zustandes der Technik































































In den basis-internen Nor­men­katalogen und Richtlinien der Arbeitsgruppe Ausbildung war generell nur von „Erzeugnissen“ die Rede

Abb 5.34: STG 943
(Foto: Visier spezial 25/2002)

Im September 1988 fanden geheime Schießübungen statt, die keinesfalls im Ausbildungsprogramm der RTeB-2 ver­zeichnet waren. Aber: Ein spezielles Er­probungskommando unter Leitung von Hauptmann Trommer hatte auf dem Schießplatz in Brandenburg umfangreiche Praxistests mit dem neuen Sturmgewehr „Wieger 940“ durchzuführen. Vom 19. bis 30. September 1988 erfolgte die „Trup­penerprobung des Erzeugnisses 940“. Die Waffe war eine Weiterentwicklung der AK74 durch die DDR und war auf Grund ihres Kalibers 5,56 x 45 mm nicht für die Bewaffnung der NVA und der Bruderarmeen geeignet, wohl aber für den Export - unter Umgehung sowjetischer Lizenzauflagen bezüglich der AK74. Gefertigt wurde sie im VEB Geräte- und Werkzeugbau Wiesa. Die Produktion setzte 1989 ein; gefunden haben aufgebrachte Bürger im Dezember 1989 unter anderem 2000 Wieger-Sturmgewehre im IMES-Lager Kavelstorf bei Rostock.


Episode am Rande: Angehörige der TeBttr wurden 1988 kom­mandiert zur Truppenerprobung des neuen Sturmgewehres Wieger 940

Abb 5.35 Wimpel zur Erinnerung an den 20. Jahrestag der Gründung des Truppen­teils 1989

Im April 1989 feierten die Angehörigen der Rake­tentechnischen Basis 2 ihr 20-jähriges Bestehen. Erstmals wurden dazu in grö­ße­rem Umfang trup­penteilspezifische Erin­nerungsstücke wie Wand­teller, Wimpel und ähnliches der RTeB-2 zugeführt. Besonders geehrt wurden diejenigen Sol­daten und Zivilbeschäftigten, die 20 Jahre und mehr Dienst in der Basis beziehungs­weise ihren Vorläuferein­rich­tungen leis­teten: Oberstleutnant Martin Bethke, Oberstleutnant Erhard Große, Major Günter Rief­stahl, Major Martin Schaller, Stabs­oberfähnrich Gerd Schulz, Stabs­fähnrich Dieter Raesch, Stabs­fähnrich Klaus Kuhnt und die Zivilbeschäftigten Ingeborg Bölke, Waltraud Müller, Char­lotte Meyer und Heinz Höhne. Auf einem festlichen Jubiläums­abend wurden stell­vertretend zwölf ehemalige Soldaten der RTeB-2 begrüßt: Major Karl-Heinz Ahnert, Oberst Frieder Damm, Oberstleutnant Eduard Fidorra, Oberstleutnant Walter Gerecke, Oberstleutnant Rainer Hartmann, Oberst Joachim Heintze, Major Hartmut Hengst, Major Peter Hübner, Oberstleutnant Eckhard Klann, Oberstleutnant Jürgen Lange, Major Jürgen Müller und Oberstleutnant Helmut Roschkowski.

Abb 5.36 Kampforden „Für Verdienste um Volk und Vaterland“

In einer Feierstunde am 2. Mai 1989 würdigte der Chef RWD der NVA, Generalmajor Heinz Hampel, die Entwicklung der RTeB-2 in den vergangenen 20 Jahren. Besonders hervorgehoben in seiner Festrede hatte er unter anderem die Auszeichnung der Basis mit dem „Kampforden für Verdienste um Volk und Vaterland“ in Bronze, die am 1. März 1989 erfolgte.


April 1989: Feier zum 20jährigen Bestehen des Truppenteils























1. März 1989: Auszeichnung der RTeB-2 mit dem „Kampforden für Verdienste um Volk und Vaterland“

Unmittelbar vor dem 20. Jahrestag der Basis führte die RTeB-2 zum zweiten Mal in ihrer Geschichte eine Teilmobilmachungsübung durch. Diese „Monsun“-Übung vom 2. bis 14. April 1989 wurde mit der Gesamtbewertung „sehr gut“ abgeschlossen.

Abb 5.37: Wiederholt gehörte auch das Umladen von Raketen und Gefechtsköpfen nach Hubschraubertransporten zum Bestandteil der spezialtaktischen Übungen „Monsun“. Im Bild: Entladung einer operativ-taktischen Rakete 8K14 aus einem Hubschrauber Mi-6

Abb 5.38: „Kernkompetenz“ der Raketentransportabteilungen: Transport von Gefechtsköpfen in isothermischen Fahrzeugen 9F223

Abb 5.39: Die Raketentransportfahrzeuge absolvierten während der Monsun-Übungen hunderte Kilometer im Kolonnenmarsch


Monsun-89

Am Ende des Ausbildungsjahres 1989 erhielt die Raketentechnische Basis 2 zum zweiten Mal (nach 1984) die Fahnenschleife eines „Besten Truppenteils“. Allerdings ging dieses Ereignis ziemlich unter in der beginnenden DDR-Wendezeit. Im Sommer und Herbst 1989 war für das Personal der RTeB-2 zunehmend anderes wichtiger als die traditionellen Wettbewerbsrituale.

Abb 5.40: Generalmajor Heinz Hampel befestigt die zweite Fahnenschleife eines
„Besten Truppenteils“ an die Truppenfahne der RTeB-2

Oktober 1989: Zum zweiten Mal als „Bester Truppenteil“ ausge­zeichnet

Die ansteigende Verdrossenheit der DDR-Bürger über die Ignoranz und den Altersstarr­sinn ihrer Führung, welche die Leute im Sommer und Herbst 1989 zu Tausenden auf die Straße oder über die Grenzen trieb, deutete sich auch in der Raketentechnischen Basis 2 an. Bei den DDR-Wahlen 1984 und 1986 konnte die Basis immer eine „100-prozentige Zustimmung zu den Kandidaten der Nationalen Front“ melden. Bei den Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 jedoch dokumentierten erstmals 7 Soldaten ihr Nichteinverständnis mit der reformfeindlichen Politik im Lande durch ein klares „Nein“ auf den Stimmzetteln. Was den Vorgesetzten (noch) wie ein Einbruch in die „heile Welt“ vorkam, war in Wirk­lichkeit nichts anderes als die reale Widerspiegelung der Zustände in der DDR.
Die Rede Honeckers auf der Festveranstaltung zum 40. Jahrestag der DDR-Gründung unterstrich auf groteske Art seinen verloren gegangenen Blick für die Realitäten:
„... wie die anderen sozialistischen Länder wird die DDR die Schwelle zum Jahr 2000 mit der Gewißheit überschreiten, daß dem Sozialismus die Zukunft gehört“ *.
Der DDR blieben zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr 365 Tage ihrer staatlichen Existenz!
Ein anderer Fall des 89-er Wendejahres soll verdeutlichen, wie gut die meisten Berufs­soldaten den SED-Doktrinen Gefolgschaft leisteten. Die Stabsparteiorganisation in der RTeB-2 führte noch im Oktober 1989 ein Parteiverfahren gegen Oberstleutnant H. wegen Verstoßes gegen das Parteistatut durch. Ihm wurde die „Herausnahme persönlicher Privilegien“ zur Last gelegt. Als Tatbestand zählte dabei, dass der Beschul­digte einen Soldaten eigenmächtig in den Urlaub schickte, um die Stoßstange an des Oberstleutnants Privat-Trabant zu lackieren. Es musste den „empörten Genossen“ wenige Tage später wie Schuppen von den Augen fallen, als alle Zeitungen über wirklichen Privilegienmissbrauch der DDR-Oberen schrieben.

*  Tageszeitung „Neues Deutschland“, Ausgabe vom 9.10.1989

Die Verdrossenheit über die Po­litik der Staatsführung hatte auch bei der Truppe Auswirkungen

Inhalt

Vorwort Raketen eine neue Waffe Das Raketenzeitalter beginnt auch für die NVA Die Raketentransport­abteilung 2 (1969-1976) Die Raketentechnische Basis bis zum Beginn der 80er Jahre
(1976-1983)
Neue politische und militärische Herausforderungen in den 80er Jahren (1983-1989) Entwicklung des Baugeschehens sowie der Dienst- und Lebensbedingungen Das Ende der Raketentechnischen Basis 2 (1989-1990) Die Bundeswehr in Brück
(ab 3. Oktober 1990)
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