Raketentechnische Basis 2 Chronik
Ein geschichtlicher Abriss - © Jörg Hertwig 1990 2014 „Logistik ist nicht alles, aber ohne Logistik ist alles nichts“ | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
7. Das Ende der Raketentechnischen Basis 2 (1989-1990)
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die so genannte Wende in der DDR hat neben dem besonders 1989 deutlich sichtbaren Verfall der gesellschaftlichen Entwicklungen im Lande auch tiefergehende und weiter zurückliegende
Ursachen.
Namentlich die inneren Entwicklungen der „Schutzmacht“ Sowjetunion in den 80-er Jahren beeinflussten die Entwicklungen in allen Bruderstaaten des Warschauer Vertrages.
In der DDR wusste das Volk aber absolut nichts von Überlegungen der sowjetischen Führung im Jahre 1986, dass man die DDR aufgeben müsse. Schließlich sicherten ja auch eine halbe
Million Sowjetsoldaten
hierzulande das empfindliche militärische Gleichgewicht zwischen den beiden Militärblöcken. Wahrscheinlich aber verfügten Analytiker im ZK-Apparat der SED durchaus auch über andere Informationen
über das, was im Kreml gedacht und gesprochen wurde. Valentin Falin, damals Leiter der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU, notierte in seinen Erinnerungen: „Glaubt man Schewardnadse,
so hätte die sowjetische Führung die DDR irgendwann im Jahre 1986 abgeschrieben“*. Eduard Schewardnadse war Außenminister, Mitglied des KPdSU-Politbüros und vor allem enger
Vertrauter Gorbatschows.
* Valentin Falin. Politische Erinnerungen, DroemerscheVerlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 1993, S. 483
** Rede M. Gorbatschows, veröffentlicht in den Zeitschriften „Prawda Rossii“ aus Russland, „Usvit“ aus der Slowakischen Republik (Nr. 24/1999), „Dialog“ aus der Tschechischen Republik (Nr. 146, Oktober 1999), „UZ“ der DKP (8. 9. 2000) und „Die Rote Fahne“ der KPD. (Quelle: „Dialog“, Prag, Nr. 146, Oktober 1999, Übersetzung: H.-J. Falkenhagen für die Veröffentlichung in „Die Rote Fahne“ der KPD. Wörtliche Übernahme der dort veröffentlichten Gorbatschow-Rede)
Da muss es denn auch schon keinen mehr wundern, dass der sowjetische Geheimdienst KGB letztlich im Dezember 1989 die DDR endgültig abhakte:
* Zitiert nach: Fischer, Bernd, Der große Bruder. Wie die Geheimdienste der DDR und der UdSSR zusammenarbeiteten. Band 7 der Geschichte der HVA, Berlin 2012, S. 182
„Die Lage zu beherrschen“ fiel sicher seit der plötzlichen Maueröffnung besonders schwer, auch wenn der Schritt an sich folgerichtig war. Dieser Lageänderung hatte sich auch die NVA, die gerade erst ihre Militärreform eingeleitet hatte, zu stellen.
Die Grenzöffnung am 9. November 1989 hatte einen nicht vorhersehbaren Nebeneffekt für die NVA. Bald durften auch Berufssoldaten wie jeder andere DDR-Bürger „ohne Vorliegen von Gründen“
zu Besuch nach Westberlin oder in die BRD reisen. Selbst für Geheimnisträger gab es keine Reise-Einschränkungen. Nur zurückkommen sollte man schon, kannte die gültige DDR-Gesetzeslage
doch nach wie vor den Paragrafen der Fahnenflucht. Aus juristischer Sicht zählten jene, die von ihren Reisen in den Westen nicht wiederkamen, als Fahnenflüchtige. Zu ihnen gehörte auch
Fähnrich Kurth aus der Technischen Batterie der RTeB-2. Zum Glück waren seine Kenntnisse über das technische Innenleben der Raketen 8K14 keine wirklichen Geheimnisse mehr auf dieser Welt. Die Angehörigen der TeBttr nahmen es mit Humor und trällerten den gerade brandaktuellen Hit von Frank Zander „Hier kommt Kurt“ vor allem mit dem viel sagenden Nachsatz „... ohne Helm und ohne Gurt“. (J. Hertwig) | Bittere Wahrheit: Die DDR wurde nicht erst im Herbst 1989 von den führenden Persönlichkeiten der Schutzmacht Sowjetunion aufgegeben | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die im Oktober 1989 in der DDR eingeleiteten gesellschaftlichen Veränderungen hatten auf die weitere Aufgabenerfüllung der RTeB-2 maßgeblichen Einfluss. Die
durch das DDR-Verteidigungsministerium nur schleppend in Gang gesetzte Militärreform brachte zunächst wenige, optische Änderungen im Soldatenalltag wie Reisefreiheit, Medienfreiheit,
Erlaubnis zum Tragen von Zivilkleidung nach Dienst für alle und die Einführung der 43,75 Stunden Woche.
Als in allen DDR-Zeitungen Anfang Dezember 1989 Berichte über Waffenschiebereien der IMES GmbH (eine Firma des Bereiches „Kommerzielle Koordinierung“ des Staatssekretärs Alexander
Schalck Golodkowski) auftauchten und Bürger sich Zugang zum IMES-Lager KAVELSTORF bei ROSTOCK erzwangen, wurde auch die RTeB-2 in diese schmutzigen Aktionen hineingezogen. |
Die Militärreform im Herbst 1989 war nur schleppend und halbherzig in Gang gekommen Das Ende der „führenden Rolle der SED“ und der Politorgane in der NVA Wurden Soldaten der RTeB-2 unfreiwillig Mitwirkende bei den KoKo Waffenschiebereien? | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Anfang Januar 1990 trat in der gesamten NVA eine äußerst kritische Situation ein, welche in der Folgezeit durch das unentschlossene Handeln der Armeeführung nicht
entschärft werden konnte. Im Standort BEELITZ kam es zum Jahresanfang zu einer offenen Meuterei der Soldaten des einstigen Panzer-Regimentes 1.
An alle Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere! Schließt Euch an! Auf Grund der tiefgreifenden Umwandlungen auf allen Gebieten in der DDR darf die Demokratie auch vor den Kasernentoren nicht haltmachen. Nur wenn die preußisch-militaristischen Überbleibsel in unserer Armee beseitigt werden, verdient sie den Namen Nationale Volksarmee. Nur so wird die NVA vom Volk akzeptiert und unterstützt werden! Deshalb fordern wir 1. Verkürzung der Grundwehrdienstzeit auf 12 Monate 2. Einberufung der Wehrpflichtigen in wohnortnahe Bereiche 3. Einsatz der Armeeangehörigen entsprechend der beruflichen Qualifikation 4. Grundlegend neue Dienstvorschriften, die eine mehrseitige Auslegung nicht gestatten sowie eindeutige Festlegung der Grundrechte der Armeeangehörigen - militärisch notwendige Grundforderungen müssen konkret definiert werden - wir fordern Recht auf Befehlsverweigerung unter konkretem Bedingungen konkrete Bedingungen sind - Bedingungen, bei denen der Gesundheits-, Arbeits-, Brand- und Umweltschutz nicht eingehalten werden; - Bedingungen, bei denen eine Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens vorliegen; - Forderungen, die gegen Moral und Ethik verstoßen; - Befehl der Durchführung entwürdigender Handlungen und Arbeiten sowie Handlungen und Arbeiten, die mit der Erfüllung der Dienst- und Gefechtsaufga- ben nichts zu tun haben. Auf das Recht der Befehlsverweigerung wird im Fall einer militärischen Auseinandersetzung in Folge eines feindlichen Übergriffs verzichtet. - Recht auf Urlaub und Ausgang - Durchsetzung der 50 % Regelung als soziale Errungenschaft - Nichtgewährung des Urlaubs bzw. Ausgangs nur bei schwerwiegenden Verstößen schwerwiegende Verstöße sind - Genuß von Alkohol innerhalb der Kaserne - unerlaubte Entfernung bzw. Nichtzurückkehren aus dem Urlaub - Gewalttätigkeiten gegenüber Personen und Gegenständen - Verstöße gegen Normen der Moral und Ethik - grobe oder wiederholte Verstöße gegen die militärische Disziplin und Ordnung - Ausgangsbedingungen mit hohem Niveau - Möglichkeiten einer sportlichen und kulturellen Betätigung im zivilen Bereich für alle Armeeangehörigen 5. Neuregelung der zwischenmenschlichen Beziehungen - Neuregelung des Herantretens an Vorgesetzte bzw. des Wegtretens, Eintretens - nur direkte Vorgesetzte werden bei der ersten Begegnung am Tag gegrüßt - Wegfall des Kommandos „Achtung“ bei Eintreffen eines Vorgesetzten in der Einheit bzw. bei Eintreten eines Vorgesetzten in Unterkunftsräume der Soldaten und Unteroffiziere 6. Einführung der 5-Tage-Woche für alle Armeeangehörigen 7. Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen für Umweltschutz und Hygiene - unangekündigte Kontrollen von unabhängigen auch zivilen Gremien unter Beachtung der Wachsamkeit und Geheimhaltung 8. Abschaffungg der Offiziersprivilegien - Personalbeförderung für alle Berufskader nur bei dringender dienstlicher Notwendigkeit - Abschaffung der Bedienung der Führungskader im Speisesaal 9. Neuregelung der Esseneinnahme - Wegfall der Esseneinnahme als Dienstpflicht - Prinzip der Betriebsküchen - Möglichkeit der Selbstverpflegung 10. 8-Stunden-Tag und Schichtarbeit für das Küchenpersonal 11. Neuregelung der Besoldung für Soldaten und Unteroffiziere - Soldaten mit Unteroffiziersstellung müssen diese auch bezahlt bekommen - Armeeangehörige, die in der Volkswirtschaft eingesetzt sind, erhalten einen Aufschlag 12. Finanzielle Mittel, die für den Einsatz der Armeeangehörigen in der Volkswirtschaft an die NVA gezahlt wurden, verbleiben in Zukunft im Betrieb zur Investierung in neue Maschinen und Technologien 13. Offenlegung der Haftbedingungen in der ehemaligen Militärstrafanstalt Schwedt 14. Müdigkeit aller Armeeangehörigen: - jeder Armeeangehörige muß selbst entscheiden können, wie lange er seinen Hobbys nachgeht - Clubleben nach 22.00 Uhr muß möglich sein, wenn andere Armeeangehörige an der Einhaltung der Nachtruhe nicht gestört werden 15. Bessere Dienstbedingungen für alle Unteroffiziere - auf Wunsch Außenschläfer - Dienststellenausweis für alle Unteroffiziere - jedes Wochenende Kurzurlaub 16. Dienstgestellung wie bei Berufskadern von 9.00 Uhr bis 9.00 Uhr 17. Verstärkte Förderung der Studienbewerber sowie allgemeiner Interessen 18. Neuformulierung des Fahneneides 19. Kürzung der Finanzmittel auf ein notwendiges Maß. - Offenlegung des Finanzhaushaltes in jedem Truppenteil. - Offiziersfeiern auf Armeekosten müssen unmöglich sein. 20. Änderung der Anforderungen zum Erwerb von Auszeichnungen und Qualifikationen - Anerkennung von Auszeichnungen und Titeln nur bei eindeutiger Erfüllung der Normen - Durchsetzung eines echten Leistungsprinzips! 21. Möglichkeit des persönlichen Neuüberdenkens einer einmal eingegangenen - Längerverpflichtung der Unteroffiziere 22. Abschaffung der Standortbereiche für den Ausgang freie Ausgangsbereiche für alle Armeeangehörigen Mit meiner Unterschrift unterstütze ich den 22-Punkte-Forderungskatalog der Soldaten und Unteroffiziere der Geschoßwerferabteilung 1 des Panzerregiments Beelitz, beschlossen vom Soldatenrat im Dezember 1989 |
Meuternde Panzersoldaten in Beelitz machten im Janaur 1990 ihren Forderungskalalog auf | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Auf anderer Basis, in einem offenen und von gegenseitiger Akzeptanz getragenen Gespräch trafen sich Soldatenvertreter und Vorgesetzte in der RTeB-2 bereits zwei Wochen
früher zu ihrem ersten „Runden Grünen Tisch“ (grün wegen der Farbe des Tischtuches). Dort besprochene Probleme wurden kurzfristig geprüft und zum nächsten Runden Tisch als Lösungsvorschläge
diskutiert beziehungsweise zwischenzeitlich schon als Weisung realisiert. |
Zeit der runden Tische auch in der RTeB-2 Januar 1990: Solidarität mit streikenden Beelitzer Panzersoldaten | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ab Ende Januar 1990, als durch vorzeitige Entlassungen von Soldaten und Unteroffizieren nach 12 bzw. 24monatiger Dienstzeit in der RTeB-2 schlagartig über 100 Mann Personal fehlten, war eine Aufgabenerfüllung im üblichen Sinne nicht mehr möglich. Die gesamte Gefechtsausbildung musste eingestellt werden und die verbliebenen Kräfte wurden auf die Sicherung des Objektes, die Fortführung der Regelarbeiten an den Fla-Raketen sowie die Aufrechterhaltung der Lebensprozesse des Truppenteils konzentriert. Abb. 7.3 Befohlene vorzeitige Entlassungen von Soldaten und Unteroffizieren führten dazu, dass ab Februar 1990 die gesamte Gefechtsausbildung in der RTeB-2 eingestellt werden musste. Objektiv bedingt, meldete der Kommandeur der RTeB-2 seinen Vorgesetzten die Unmöglichkeit, die bisher geforderte Gefechtsbereitschaft weiter aufrecht zu erhalten.
In die Zeit Anfang 1990 reichten auch die Fragen nach der Perspektive der Raketentechnischen Basis 2 zurück. Die Diskussion um den künftigen STAN ging dahin, dass die
Basis in ein künftiges RWD-Lager RWTL-12 umgewandelt werden soll. Der Personalbestand an Armeeangehörigen werde dabei von 361 Mann (= Soll I im Sommer 1990) auf zirka 130 Mann schrumpfen. Im Dezember 1989 hatte der Ministerpräsident Modrow entschieden: Die „OKA“ sind zu zerstören. Der Komplex entspricht nicht mehr der Militärdoktrin (Verteidigung der DDR). Mit der Demontage und Vernichtung der Startaggregate wurde sofort begonnen. Übrigens, die Zerstörung ist wohl genauso aufwendig wie die Produktion! Anfangs träumten wir noch davon, eine Rampe ausgeschlachtet im Armeemuseum Dresden aufzustellen. Zum Abschluss erschien im Objekt DEMEN (5. RBr.) eine Gruppe von Offizieren der US-Armee zur Kontrolle; sie sah aber nur noch zerlegte und zerschnittene Teile unserer einst stolzen Technik. Bei der Zerstörung der Bodenausrüstung gab es selbstverständlich keine Schwierigkeiten, anders für Trägermittel. Die Triebwerke konnten, trotz Bemühungen, weder an die Sowjetunion zurückgegeben noch in unserem Lande vernichtet werden. Für die Rücknahme hat sich später Minister Eppelmann bei Marschall Jasow eingesetzt und nichts erreicht. Alle sowjetischen Träger dieses Waffensystems waren in Kapustin Jar unter amerikanischer Aufsicht vernichtet worden. Eine Vernichtung durch uns in Deutschland mussten wir ablehnen. Grund: Die Zusammensetzung der Treibmittel war nicht vollständig bekannt also musste mit Umweltschäden gerechnet werden. Übrigens, nachdem, was ich gelernt habe, hatte das System, das wir besaßen, eine Reichweite von 300 km beziehungsweise abhängig von der Bestückung 400 km und hätte nicht zerstört werden müssen! Der Vertrag zwischen den USA und der UdSSR sah nach meiner Meinung die 500 km Begrenzung vor. Startrampen und Gefechtsköpfe waren ja nicht vorhanden, also können die Träger schon noch einige Jahre existieren. Im Zuge übertriebener Abrüstungs-Hektik stand die Frage: „Was geschieht mit dem operativ-taktischen System 8K14 (R 300, SCUD-B), Reichweite 300 km? Der Raketenkomplex befand sich seit 1968 in der Ausrüstung der NVA (Beginn der Ausrüstung). Ursprünglich befand sich diese Technik auf Radbasis nur in der 5. RBr. des MB V, die jeweils notwendigen Teile davon in den Beweglichen Raketentechnischen Basen, dem Raketen- und Waffentechnischen Lager, der Raketentechnischen Basis 2 und den Lehreinrichtungen. Ab 1973 bildete die III. RA/ 5.RBr die Basis für die Aufstellung der 3.RBr. des MB III. Der Komplex sollte vernichtet, zerstört werden! Eine Überschlagsrechnung ergab einen erheblichen Kräfte- und Mittelaufwand. Ebenfalls wäre viel Zeit und Material notwendig gewesen. Wir hatten immerhin Erfahrung durch die Zerstörung der Komplexe R 30 und R 170 vor einigen Jahren. Nach Überlegungen und dem üblichen Hin und Her kam dann der Entschluss: Übergabe! Übernahme durch die Sowjetarmee in unseren Objekten, nicht Hinbringen, ohne gegenseitige finanzielle Leistung. Damit entfielen für uns natürlich alle Aufwendungen für die Zerstörung. Die Sowjetarmee übernahm die gesamte Raketentechnik, alle spezielle, raketenbezogene Technik, Zubehör, Ersatzteile, Werkzeug, Zubehör (EWZ) und alle Ausbildungsmittel und Geräte in einem trotz Alters und intensiver Nutzung gutem, teilweise sehr gutem Zustand. Die sowjetischen Offiziere betonten, sie werden ihre Technik in die Heimat abschieben und unsere zur Nutzung behalten. Ob das allerdings so ablief wissen wir nicht. Jedenfalls sah Generaloberst Goldbach, ich und unsere Begleiter einen großen Teil „unserer“ Raketentechnik ein letztes Mal auf dem TÜP Wittstock in Reih und Glied aufgefahren soweit das Auge reichte! Ort der Handlung: Unweit der Straße Schweinrich - Neu Lutterow, wir waren zu einem Bankett/Dankgottesdienst eingeladen. Dieses Bankett war für alle Beteiligten eine traurige Abschiedsvorstellung von dieser Bewaffnung. Immerhin waren seit 1962 einige Generationen, tausende Armeeangehörige an dieser Technik ich betone gut ausgebildet worden. Die Verbände und Truppenteile der Landstreitkräfte-„Raketentruppen“ waren Elitetruppen und ab 30.04.1990 gab es nun den Teil „Operativtaktische Raketentruppen“ nicht mehr. An Material ausgenommen Militärische Bestimmungen, Dienstvorschriften und Gerätebeschreibungen hätte nicht einmal mehr nachgewiesen werden können, gab es denn diese Truppen überhaupt einmal? Es war alles eben weg! Abb. 7.5 Auszug aus dem Raketenbestandsbuch (GVS B1/ 050197) des Lagerbereiches der RTeB-2 von 1990: Abgabe der Träger 8K14 an „Westgruppe der sowj. SK“ am 24.4.90 Abb. 7.6 Ein Verladekommando, zu welchem auch dieser Angehörige der TeBttr. gehörte, belud im April 1990 die OTR-Träger 8K14 für den Re-Export in Güterwagen. |
Die bisher übliche Gefechtsbereitschaft war mangels ausreichendem Personals nicht mehr aufrechtzuerhalten Diskussion um die militärische Zukunft: Die RTeB-2 als ein Lager des Raketenund Waffentechnischen Dienstes | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Unter den Berufssoldaten machte sich die Sorge um ihre Zukunft schon vor den letzten DDR-Volkskammerwahlen (18. März 1990) breit. Verunsichert drängten einige Offiziere und Fähnriche auf
ihre vorzeitige Entlassung aus dem Wehrdienst. Sie glaubten, in der Wirtschaft eine sicherere Perspektive zu haben als in der sich langsam zersetzenden Armee. Bei den verbliebenen
Berufssoldaten schwand die Wehr- und Dienstmotivation rapide. Nur der Gedanke, hier noch eine Aufgabe zu haben und zumindest für einige Zeit nicht im sozialen Abseits zu landen,
ließ sie weiterhin ihre Pflicht erfüllen.
Auch die vielen Beteuerungen Rainer Eppelmanns, des Ex-Pfarrers und nunmehr (von April bis Oktober 1990) zuständigen Ministers für Abrüstung und Verteidigung, sorgten beim Personal
für mehr Verwirrung statt Klarheit: Die Aktionen des DDR-Abrüstungsministers Rainer Eppelmann trugen nicht dazu bei, die gereizte und nervöse Stimmung im Berufssoldatenkorps abzubauen.
Daran änderte auch die von „Hammer, Zirkel und Ährenkranz“ befreite Mützenkokarde oder die Ablegung des geänderten Fahneneides am 20. Juli 1990 nichts mehr. Bereits zu diesem Zeitpunkt
war fast allen Soldaten - bloß ihrem Minister nicht - klar, dass dieser Eid nur noch wenige Wochen Gültigkeit haben würde. Eppelmann lebte noch in seiner Fantasia-Welt von einer NVA,
die als Teilstreitkraft gesamt-deutsch weiter existieren könne.
*Zitiert nach Günther Sarge (letzter Präsident des Obersten Gerichtes der DDR) „Im Dienste des Rechts“ Edition Ost 2013
|
Sorgten beim Personal für mehr Verwirrung statt Klarheit: Die Aktionen des DDR-Abrüstungsministers Rainer Eppelmann | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
In der Raketentechnischen Basis waren die Monate Juni bis September 1990 gekennzeichnet durch den Aufbau des Bereiches „Abrüstung“ sowie die Erweiterung des Lagerbereiches als
den beiden künftig tragenden Säulen der RTeB-2. Abb. 7.8 In den Brücker Bunkern eingelagerte Kisten voller Handfeuerwaffen aus den vormaligen Beständen der Kampfgruppen und der Staatssicherheit
Abb. 7.11 Die „Märkische Volksstimme“ deutete am 29.8.1990 an, was auch in Brück passierte: Laut Bestandsbuch der RTeB-2 (GVS B1/ 050197) wurden am 6.9.90 unter anderem an TOTSCHKA-Technik zurück gegeben: 3 G-Träger, 8 GK, 2 LG-Träger und 10 LG-GK Am 31. August 1990 unterzeichneten Vertreter der Regierungen der BRD und der DDR den „Einigungsvertrag“ - also die Eingliederung der DDR in die BRD. Von da an blieben dem Kommandeur und dem Personalbestand der RTeB-2 noch 768 Strunden bis zum Ende der NVA. |
Juni 1990: Aufbau des Bereiches „Abrüstung“ im Lagerbereich der Raketentechnischen Basis 2 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Am 2. Oktober 1990 wurde nach einem Abschlussappell auch in Brück die NVA-Dienstflagge eingeholt. Um 24 Uhr wurde, wie befohlen, die Hochspannungssicherungsanlage rund um die technische und Lagerzone des Objektes abgeschaltet. Die neuen Uniformen der Bundeswehr waren bereits vor einigen Wochen eingelagert worden und wurden nun an die Soldaten ausgegeben. Um Mitternacht zogen die Soldaten der Objektwache als erste die neue Bundeswehruniform an. Damit endet die mehr als 20jährige Geschichte der Raketentechnischen Basis 2 der Nationalen Volksarmee. Ihr Name RTeB-2 wurde nachfolgend durch die Bundeswehr noch einige Monate formal fortgeführt.
Tagesbefehl des Ministers für Abrüstung und Verteidigung zur Eingliederung der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr anläßlich des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur
Bundesrepublik Deutschland vom 02. Oktober 1990 Meine Herren Soldaten, Unteroffiziere, Fähnrichschüler und Offiziersschüler, Fähnriche und Offiziere! Meine Herren Generale und Admirale! Meine Damen und Herren Zivilbeschäftigte! Mit dem 2. Oktober, 24.00 Uhr, hört nach dem Willen unseres Volkes die Deutsche Demokratische Republik auf zu bestehen, aber nicht ihre Menschen. Mit dem 2. Oktober, 24.00 Uhr, hört die Nationale Volksarmee auf zu bestehen, aber nicht ihre Soldaten und Zivilbeschäftigten. Mit dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland beginnt am 3. Oktober 1990 ein neuer Abschnitt in der Geschichte des deutschen Volkes. Nach 40jähriger unnatürlicher Trennung wächst wieder zusammen, was zusammen gehört. Sie, als Soldaten und Zivilbeschäftigte der Nationalen Volksarmee, gehören mit dem Wirksamwerden des Beitritts entsprechend dem Einigungsvertrag zur Bundeswehr. Unter Ihrer Mitwirkung vollzieht sich ein historisch einmaliger Akt. Die Nationale Volksarmee stand unter der Vormundschaft einer Partei, die sich als unfähig erwiesen hat, den Interessen der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik gerecht zu werden. Es bleibt jedoch das Verdienst der Angehörigen der Nationalen Volksarmee, ihre von der Verfassung gegebene Aufgabe, die äußere Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten und der Bewahrung des Friedens zu dienen, nach bestem Können und mit hoher Professionalität erfüllt zu haben. Seit dem Herbst 1989 haben sie verantwortungsbewußt ihren Beitrag dazu geleistet, daß der Umgestaltungsprozeß in unserem Lande friedlich verlaufen ist und sich Freiheit und Demokratie auch in diesem Teil Deutschlands den Weg bahnen konnten. Gleichlaufend mit den gesellschaftlichen Umwälzungen in der Deutschen Demokratischen Republik haben die Angehörigen der NationalenVolksarmee eine umfassende Militärreform begonnen und den Kurs auf weitgehende Abrüstungsmaßnahmen aktiv mitgestaltet. Für die Erfüllung Ihrer militärischen Pflichten gegenüber dem Vaterland und Ihre Bereitschaft, persönliche Interessen sowie die Belange Ihrer Familienangehörigen sehr oft hinter die des Volkes zu stellen, gebührt Ihnen, meine Damen und Herren, mein aufrichtiger Dank. Mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 werden Sie den militärischen Dienst nach dem Soldatengesetz in Verbindung mit dem Wehrpflichtgesetz der Bundesrepublik Deutschland entsprechend den Festlegungen im Einigungsvertrag, leisten. Für die Mehrheit von Ihnen wird die Aufgabe darin bestehen, dem vereinigten deutschen Staat treu zu dienen, die Sicherheit des deutschen Volkes zu gewährleisten sowie an der Erhaltung des Friedens in Europa mitzuwirken. Nicht wenige werden im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Bundeswehr und NVA gemäß Einigungsvertrag und der Realisierung der in Wien gegenüber den KSZE-Staaten übernommenen Verpflichtung zur Reduzierung der deutschen Streiträfte in den nächsten vier Jahren aus dem Wehrdienst ausscheiden. Von allen erwarte ich, daß Sie, solange Sie dienen, die Ihnen übertragenen Pflichten in Ehre und Würde erfüllen und mit allen Ihren Kräften zum Schutz von Freiheit und Demokratie in einem geeinten Deutschland und zur Aufrechterhaltung des Friedens in Europa beitragen. Hiermit entlasse ich Sie als Angehörige oder Zivilbeschäftigte der Nationalen Volksarmee aus Ihren Verpflichtungen, die Sie gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik zu erfüllen hatten. Sie sind ab 3. Oktober 1990, 00.00 Uhr, Soldaten bzw. Zivilangestellte der Bundeswehr und unterstehen damit dem Zuständigkeitsbereich des Bundesministers der Verteidigung der Bundesrepublik. Meine Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien alles Gute, Gesundheit und persönliches Glück. Strausberg, den 02. Oktober 1990 Rainer Eppelmann Minister für Abrüstung und Verteidigung |
2. Oktober 1990: Der letzte Appell und die Einholung der Dienstflagge. Um Mitternacht hörte die DDR und damit die NVA auf zu existieren, der Vollzug des Anschlusses an die BRD erfolgte. |