Raketentechnische Basis 2 Chronik



Die Raketentechnische Basis 2 der Nationalen Volksarmee

Ein geschichtlicher Abriss -

© Jörg Hertwig 1990 2014
14. erweiterte Überarbeitung 2014

„Logistik ist nicht alles, aber ohne Logistik ist alles nichts“


7. Das Ende der Raketentechnischen Basis 2 (1989-1990)


Abb. 7.1 Was waren die Bruderküsse und die viel beschworene Freundschaft am Ende tatsächlich noch wert?

Die so genannte Wende in der DDR hat ne­ben dem besonders 1989 deutlich sichtba­ren Verfall der gesellschaftlichen Entwick­lungen im Lande auch tiefergehende und weiter zu­rückliegende Ursachen. Namentlich die in­neren Entwicklungen der „Schutzmacht“ Sow­jetunion in den 80-er Jahren beein­fluss­ten die Entwicklungen in allen Bruderstaaten des Warschauer Ver­tra­ges. In der DDR wuss­te das Volk aber absolut nichts von Überlegungen der sow­jetischen Führung im Jahre 1986, dass man die DDR aufgeben müsse. Schließlich sicherten ja auch eine halbe Million Sow­jetsoldaten hierzulande das empfindliche militärische Gleichgewicht zwischen den beiden Militärblöcken. Wahrscheinlich aber verfügten Analytiker im ZK-Apparat der SED durchaus auch über andere Informationen über das, was im Kreml ge­dacht und gesprochen wurde. Valentin Falin, damals Leiter der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU, notierte in seinen Erinnerungen: „Glaubt man Schewardnadse, so hätte die sowjetische Führung die DDR irgendwann im Jahre 1986 abgeschrieben“*. Eduard Schewardnadse war Außenminister, Mitglied des KPdSU-Politbüros und vor allem enger Vertrauter Gorbatschows.
Dass Michail Gorbatschow nicht der „Erneuerer des Sozialismus“ sein wollte, als der er sich gern präsentierte, gab er in einem Vortrag im Herbst 1999 vor der „Technischen Universität des Mittleren Ostens (ODTÜ)“ in Ankara freimütig zu**:
„Mein Lebensziel war die Zerschlagung des Kommunismus, der eine unerträgliche Diktatur über das Volk ist. In dieser Haltung hat mich meine Ehefrau unterstützt und bestärkt, die diese Meinung schon früher als ich hatte. Am meisten konnte ich dafür in den höchsten Funktionen tun. Deswegen empfahl meine Frau Raissa mir, mich um immer höhere Funktionen zu bemühen. Als ich den Westen persönlich kennen gelernt hatte, war meine Entscheidung unumkehrbar. Ich musste die gesamte Führung der KPdSU und der UdSSR entfernen. Ich musste auch die Führung in allen sozialistischen Staaten beseitigen. Mein Ideal war der Weg der sozialdemokratischen Parteien. Die Planwirtschaft hat die Fähigkeiten der Völker so gebunden, dass sie sich nicht entfalten konnten. Nur der Markt kann zu ihrer Entfaltung führen. Ich fand für die selben Ziele Mitarbeiter. Es waren vor allem Jakowlew und Schewardnadse, die gewaltige Ver­dienste an der Niederwerfung des Kommunismus haben.
Eine Welt ohne Kommunisten wird besser sein... Als Jelzin die UdSSR auflöste und ich aus dem Kreml schied, meinten Hunderte von Journalisten, dass ich weinen werde. Aber ich habe nicht geweint, denn das Hauptziel meines Lebens, d.h. die Vernichtung des Kommunismus in Europa war erreicht. Aber der Kommunismus muss auch in Asien zerschmettert werden, denn er bremst in der ganzen Welt den Weg der Menschheit zu den Idealen der Freiheit. “

* Valentin Falin. Politische Erinnerungen, DroemerscheVerlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 1993, S. 483
** Rede M. Gorbatschows, veröffentlicht in den Zeitschriften „Prawda Rossii“ aus Russland, „Usvit“ aus der Slowakischen Republik (Nr. 24/1999), „Dialog“ aus der Tschechischen Republik (Nr. 146, Oktober 1999), „UZ“ der DKP (8. 9. 2000) und „Die Rote Fahne“ der KPD.
(Quelle: „Dialog“, Prag, Nr. 146, Oktober 1999, Übersetzung: H.-J. Falkenhagen für die Veröffentlichung in „Die Rote Fahne“ der KPD. Wörtliche Übernahme der dort veröffentlichten Gorbatschow-Rede)

Da muss es denn auch schon keinen mehr wundern, dass der sowjetische Geheimdienst KGB letztlich im Dezember 1989 die DDR endgültig abhakte:
…Mitte Dezember (1989) erhielt Gorbatschow vom stellvertretenden Leiter der Aus­landsaufklärung N. S. Leonow und von Novikov ein Telegramm. Darin wurde in aller Deutlichkeit hervorgehoben, dass „keinerlei Chancen mehr vorhanden sind, die DDR als selbstständigen souveränen Staat und damit als Mitglied des Warschauer Vertrages zu bewahren. Gleichermaßen bestehen auch keine Chancen mehr für die Aufrechterhaltung des sozialistischen Systems in der DDR. Nationalistische Leidenschaften haben das Land im Ganzen erfasst. Die aus neuen Leuten bestehende politische Führung ist außer­stande, die Lage zu beherrschen“.*

* Zitiert nach: Fischer, Bernd, Der große Bruder. Wie die Geheimdienste der DDR und der UdSSR zusammenarbeiteten. Band 7 der Geschichte der HVA, Berlin 2012, S. 182

„Die Lage zu beherrschen“ fiel sicher seit der plötzlichen Maueröffnung besonders schwer, auch wenn der Schritt an sich folgerichtig war. Dieser Lageänderung hatte sich auch die NVA, die gerade erst ihre Militärreform eingeleitet hatte, zu stellen.

Die Grenzöffnung am 9. November 1989 hatte einen nicht vorhersehbaren Neben­effekt für die NVA. Bald durften auch Berufssoldaten wie jeder andere DDR-Bürger „ohne Vorliegen von Gründen“ zu Besuch nach Westberlin oder in die BRD reisen. Selbst für Geheimnisträger gab es keine Reise-Einschränkungen. Nur zurückkommen sollte man schon, kannte die gültige DDR-Gesetzeslage doch nach wie vor den Para­grafen der Fahnenflucht. Aus juristischer Sicht zählten jene, die von ihren Reisen in den Westen nicht wiederkamen, als Fahnenflüchtige. Zu ihnen gehörte auch Fähnrich Kurth aus der Technischen Batterie der RTeB-2. Zum Glück waren seine Kennt­nisse über das technische Innenleben der Raketen 8K14 keine wirklichen Geheimnisse mehr auf dieser Welt.
Die Angehörigen der TeBttr nahmen es mit Humor und trällerten den gerade brand­aktuellen Hit von Frank Zander „Hier kommt Kurt“ vor allem mit dem viel sagenden Nachsatz „... ohne Helm und ohne Gurt“.
(J. Hertwig)
Bittere Wahrheit: Die DDR wurde nicht erst im Herbst 1989 von den führenden Persönlichkeiten der Schutzmacht Sowjetunion auf­ge­geben

Die im Oktober 1989 in der DDR eingeleiteten gesellschaftlichen Veränderungen hatten auf die weitere Aufgabenerfüllung der RTeB-2 maßgeblichen Einfluss. Die durch das DDR-Verteidigungsministerium nur schleppend in Gang gesetzte Militärreform brachte zunächst wenige, optische Änderungen im Soldatenalltag wie Reisefreiheit, Medien­freiheit, Erlaubnis zum Tragen von Zivilkleidung nach Dienst für alle und die Ein­füh­rung der 43,75 Stunden Woche.
Auf dem Gebiet der politischen Betätigung vollzogen sich einschneidende Verände­rungen. Das bisherige System der politischen Bildung wurde abgeschafft und versucht, den tatsächlichen Anforderungen einer staatsbürgerlicher Information anzupassen. Der Zeitumfang für die Truppeninformation wurde beträchtlich reduziert. Was die Ge­sprächsrunden selbst anbelangte, so waren diese zumindest im Offizierskorps schon vor dem Oktober 1989 durch zunehmend offenen, kritischen und meist sachlichen Dialog gekennzeichnet, wenn auch nicht frei von den üblichen Dogmen.
Die 7 SED-Grundorganisationen, in denen damals immerhin alle Offiziere und über 75 Prozent der anderen Berufssoldaten eingebunden waren, stellten Ende Dezember 1989 ihre Tätigkeit ein. Viele SED-Mitglieder verließen aus persönlicher Enttäuschung die belastete Staatspartei. Die Jugendorganisation „Freie Deutsche Jugend“ rang im De­zember 1989 noch um eine neue Identität, aber auch für die FDJ kam im Januar 1990 das Aus. Die jungen Soldaten und Unteroffiziere sahen in den neu gebildeten Batteriesprechern und Soldatenräten eher ihre Interessenvertreter. Das Strukturelement „Arbeitsgruppe für politische Arbeit“ wurde am 15. Februar 1990 aufgelöst. Die vom Ministerium angeordnete Bildung von neuen Organen der staatsbürgerlichen Arbeit hatte in der RTeB-2 allerdings kaum Chancen, da sich kein Offizier mehr mit solch einer Aufgabe identifizieren wollte.

Abb. 7.2 Unscheinbarer und unauffälliger Wagen-Begleitzettel eines mit Waffen be­ladenen Güterwaggons. Nach der ersten, vereinzelten Waffeneinlagerung im Dezem­ber 1989 rollten die Transporte im Februar 1990 Tag und Nacht

Als in allen DDR-Zeitungen Anfang De­zember 1989 Berichte über Waffenschie­bereien der IMES GmbH (eine Firma des Bereiches „Kommerzielle Koordinierung“ des Staatssekretärs Alexander Schalck Golodkowski) auftauchten und Bürger sich Zugang zum IMES-Lager KAVELS­TORF bei ROSTOCK erzwangen, wurde auch die RTeB-2 in diese schmutzigen Aktionen hineingezogen.
Obwohl die Basis ein reiner raketen­tech­nischer Truppenteil war und außer der normalen Bewaffnung für jeden Soldaten keine weiteren Handfeuerwaffen und Munition zu lagern hatte, kam an einem Dezembersonnabend des Jahres 1989 unangekündigt ein ganzer Zug voll Waffen und Munition (ursprüngliches Bestim­mungsziel laut der in der Eile nicht einmal entfernten Frachtbriefen: Rostock) in der RTeB-2 an. Zwei Herren des sogenannten „Ingenieurtechnischen Außenhandels“ (ITA) und einige Bahnpolizisten begleiteten den Transport. Hektisch sollte die Fracht in eine der beiden in der RTeB-2 kürzlich neu errichteten Hallen eingelagert werden, um sie „später an die verschiedenen Truppenteile der Armee“ weiterzuleiten. An und für sich waren es die Soldaten gewöhnt, die von den Vorgesetzten gestellten Aufgaben auch zu erfüllen, aber die Zeit im Wende-Herbst ’89 war eine andere geworden. Jeden Tag lasen sie in den Zeitungen oder hörten im Radio Berichte über die Mauscheleien der DDR-Oberen. So war es nur logisch, dass sich Fragen nach dem Warum dieser unvorher­gesehenen Aktion einstellten. Die Vorgesetzten im Ministerium glaubten, das Ganze durch Schweigen über die Bühne bringen zu können. Auf energisches telefonisches Nachhaken des an diesem Sonnabend dienstältesten Offiziers der Basis bei den Chefs wiegelten diese ab: Das sei eine ganz normale Lieferung aus Bulgarien für die NVA, und die Waffen sollten nach kurzer Zeit gemäß dem vorgesehenen Bedarf des Jahres 1990 an die Armee verteilt werden. An diese Story wollte aber keiner glauben. Den diensttuenden Offizieren gelang es nur mit größter Mühe, die Soldaten und Unter­offiziere von einer offenen Befehlsverweigerung oder gar einer Meuterei abzuhalten. Bezeichnend war, dass die „Außenhändler“ nicht einmal die Anzahl der eingelagerten Kisten nachzählten, sondern nur nervös darauf warteten, endlich ihr großes Dienstsiegel auf die Hallentore drücken zu können. Von diesem Tag an musste der Kommandeur mit der Gewissheit leben, dass ihn seine Vorgesetzten in der Verwaltung RWD des Minis­teriums offensichtlich nicht mehr ernst nahmen nur um irgendjemandes Pfründe um ein paar Monate zu retten. In der Folge wurden diese eingelagerten Waffen „vergessen“ und blieben in BRÜCK bis über den Tag der deutschen Wiedervereinigung liegen.


Die Militärreform im Herbst 1989 war nur schleppend und halbherzig in Gang gekommen












Das Ende der „führenden Rolle der SED“ und der Politorgane in der NVA












Wurden Soldaten der RTeB-2 unfreiwillig Mitwirkende bei den KoKo Waffenschiebereien?

Anfang Januar 1990 trat in der gesamten NVA eine äußerst kritische Situation ein, welche in der Folgezeit durch das unentschlossene Handeln der Armeeführung nicht entschärft werden konnte. Im Standort BEELITZ kam es zum Jahresanfang zu einer offenen Meuterei der Soldaten des einstigen Panzer-Regimentes 1.
In einem überstürzt einberufenen „Meeting“ des Verteidigungsministers, Admiral Theodor Hoffmann, mit den Protestierenden wurde ein Forderungskatalog („Demokratie darf nicht vor den Kasernentoren halt machen“) aufgestellt und verhandelt, dessen Um­setzung gravierende Auswirkungen auf die gesamte NVA hatte. Folgende Forderungen wurden von den Panzersoldaten erhoben:

An alle Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere!
Schließt Euch an!

Auf Grund der tiefgreifenden Umwandlungen auf allen Gebieten in der DDR darf die Demokratie auch vor den Kasernentoren nicht haltmachen. Nur wenn die preußisch-militaristischen Überbleibsel in unserer Armee beseitigt werden, verdient sie den Namen Nationale Volksarmee. Nur so wird die NVA vom Volk akzeptiert und unterstützt werden!

Deshalb fordern wir
1. Verkürzung der Grundwehrdienstzeit auf 12 Monate
2. Einberufung der Wehrpflichtigen in wohnortnahe Bereiche
3. Einsatz der Armeeangehörigen entsprechend der beruflichen Qualifikation
4. Grundlegend neue Dienstvorschriften, die eine mehrseitige Auslegung nicht
   gestatten sowie eindeutige Festlegung der Grundrechte der Armeeangehörigen
   - militärisch notwendige Grundforderungen müssen konkret definiert werden
   - wir fordern Recht auf Befehlsverweigerung unter konkretem Bedingungen
     konkrete Bedingungen sind
     - Bedingungen, bei denen der Gesundheits-, Arbeits-, Brand- und
      Umweltschutz nicht eingehalten werden;
     - Bedingungen, bei denen eine Gefährdung der Gesundheit oder
      des Lebens vorliegen;
     - Forderungen, die gegen Moral und Ethik verstoßen;
     - Befehl der Durchführung entwürdigender Handlungen und Arbeiten sowie
      Handlungen und Arbeiten, die mit der Erfüllung der Dienst- und Gefechtsaufga-
      ben nichts zu tun haben.
    Auf das Recht der Befehlsverweigerung wird im Fall einer militärischen
     Auseinandersetzung in Folge eines feindlichen Übergriffs verzichtet.
   - Recht auf Urlaub und Ausgang
   - Durchsetzung der 50 % Regelung als soziale Errungenschaft
   - Nichtgewährung des Urlaubs bzw. Ausgangs nur bei schwerwiegenden Verstößen
    schwerwiegende Verstöße sind
     - Genuß von Alkohol innerhalb der Kaserne
     - unerlaubte Entfernung bzw. Nichtzurückkehren aus dem Urlaub
     - Gewalttätigkeiten gegenüber Personen und Gegenständen
     - Verstöße gegen Normen der Moral und Ethik
     - grobe oder wiederholte Verstöße gegen die militärische Disziplin und Ordnung
   - Ausgangsbedingungen mit hohem Niveau
   - Möglichkeiten einer sportlichen und kulturellen Betätigung im zivilen Bereich
     für alle Armeeangehörigen
5.  Neuregelung der zwischenmenschlichen Beziehungen
   - Neuregelung des Herantretens an Vorgesetzte bzw. des Wegtretens, Eintretens
   - nur direkte Vorgesetzte werden bei der ersten Begegnung am Tag gegrüßt
   - Wegfall des Kommandos „Achtung“ bei Eintreffen eines Vorgesetzten in der
     Einheit bzw. bei Eintreten eines Vorgesetzten in Unterkunftsräume der Soldaten
     und Unteroffiziere
6. Einführung der 5-Tage-Woche für alle Armeeangehörigen
7. Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen für Umweltschutz und Hygiene
   - unangekündigte Kontrollen von unabhängigen auch zivilen Gremien unter
     Beachtung der Wachsamkeit und Geheimhaltung
8. Abschaffungg der Offiziersprivilegien
   - Personalbeförderung für alle Berufskader nur bei dringender dienstlicher
     Notwendigkeit
   -  Abschaffung der Bedienung der Führungskader im Speisesaal
9. Neuregelung der Esseneinnahme
   - Wegfall der Esseneinnahme als Dienstpflicht
   - Prinzip der Betriebsküchen
   - Möglichkeit der Selbstverpflegung
10. 8-Stunden-Tag und Schichtarbeit für das Küchenpersonal
11. Neuregelung der Besoldung für Soldaten und Unteroffiziere
   - Soldaten mit Unteroffiziersstellung müssen diese auch bezahlt bekommen
   - Armeeangehörige, die in der Volkswirtschaft eingesetzt sind, erhalten
     einen Aufschlag
12. Finanzielle Mittel, die für den Einsatz der Armeeangehörigen in der
    Volkswirtschaft an die NVA gezahlt wurden, verbleiben in Zukunft im Betrieb
    zur Investierung in neue Maschinen und Technologien
13. Offenlegung der Haftbedingungen in der ehemaligen Militärstrafanstalt Schwedt
14. Müdigkeit aller Armeeangehörigen:
   - jeder Armeeangehörige muß selbst entscheiden können, wie lange er seinen
     Hobbys nachgeht
   - Clubleben nach 22.00 Uhr muß möglich sein, wenn andere Armeeangehörige
     an der Einhaltung der Nachtruhe nicht gestört werden
15. Bessere Dienstbedingungen für alle Unteroffiziere
   - auf Wunsch Außenschläfer
   - Dienststellenausweis für alle Unteroffiziere
   - jedes Wochenende Kurzurlaub
16. Dienstgestellung wie bei Berufskadern von 9.00 Uhr bis 9.00 Uhr
17. Verstärkte Förderung der Studienbewerber sowie allgemeiner Interessen
18. Neuformulierung des Fahneneides
19. Kürzung der Finanzmittel auf ein notwendiges Maß.
   - Offenlegung des Finanzhaushaltes in jedem Truppenteil.
   - Offiziersfeiern auf Armeekosten müssen unmöglich sein.
20. Änderung der Anforderungen zum Erwerb von Auszeichnungen und
     Qualifikationen
   - Anerkennung von Auszeichnungen und Titeln nur bei eindeutiger Erfüllung
     der Normen
   - Durchsetzung eines echten Leistungsprinzips!
21. Möglichkeit des persönlichen Neuüberdenkens einer einmal eingegangenen
   - Längerverpflichtung der Unteroffiziere
22. Abschaffung der Standortbereiche für den Ausgang freie Ausgangsbereiche für
    alle Armeeangehörigen

Mit meiner Unterschrift unterstütze ich den 22-Punkte-Forderungskatalog der Soldaten und Unteroffiziere der Geschoßwerferabteilung 1 des Panzerregiments Beelitz, beschlossen vom Soldatenrat im Dezember 1989

Meuternde Panzersoldaten in Beelitz machten im Janaur 1990 ihren Forderungskalalog auf

Auf anderer Basis, in einem offenen und von gegenseitiger Akzeptanz getragenen Gespräch trafen sich Soldatenvertreter und Vorgesetzte in der RTeB-2 bereits zwei Wochen früher zu ihrem ersten „Runden Grünen Tisch“ (grün wegen der Farbe des Tischtuches). Dort besprochene Probleme wurden kurzfristig geprüft und zum nächsten Runden Tisch als Lösungsvorschläge diskutiert beziehungsweise zwischenzeitlich schon als Weisung realisiert.
Am 2. Januar 1990 beschlossen die Soldatenvertreter der RTeB-2, mit einer Delegation nach Beelitz zu fahren und den Protest der dortigen Soldaten zu unterstützen. Es sprach für den Kommandeur, dass er sich sofort bereit fand, gemeinsam mit den Soldaten nach Beelitz aufzubrechen.
Es war nicht verwunderlich, wenn nach diesen Aktionen Anfang des Jahres das Kolle­gium des Verteidigungsministeriums auf seiner Sitzung Mitte Januar zu folgenden Kern­aussagen kam:
• Der Einsatz der Armeeangehörigen in der Volkswirtschaft hat sich als äußerst
   verhängnisvoll erwiesen,
• Das Befehlsregime in der Armee funktioniert nur noch bedingt,
• Zu einer kritischen Frage entwickelt sich immer mehr die Lage im Offizierskorps,
• Das Stimmungsund Meinungsbild lässt sich wie folgt umreißen: Grundwerte verloren,
   Enttäuschung, kein Blick für die Zukunft,
• Angriffe gegen Berufssoldaten und militärische Objekte häufen sich.


Zeit der runden Tische auch in der RTeB-2




Januar 1990: Solidarität mit strei­kenden Beelitzer Panzersoldaten

Ab Ende Januar 1990, als durch vorzeitige Entlassungen von Soldaten und Unter­offizieren nach 12 bzw. 24monatiger Dienstzeit in der RTeB-2 schlagartig über 100 Mann Personal fehlten, war eine Aufgabenerfüllung im üblichen Sinne nicht mehr möglich. Die gesamte Gefechtsausbildung musste eingestellt werden und die ver­bliebenen Kräfte wurden auf die Sicherung des Objektes, die Fortführung der Regel­arbeiten an den Fla-Raketen sowie die Aufrechterhaltung der Lebensprozesse des Truppenteils konzentriert.


Abb. 7.3 Befohlene vorzeitige Entlassungen von Soldaten und Unteroffizieren führten dazu, dass ab Februar 1990 die gesamte Gefechtsausbildung in der RTeB-2 eingestellt werden musste.

Objektiv bedingt, meldete der Kommandeur der RTeB-2 seinen Vorgesetzten die Unmöglichkeit, die bisher geforderte Gefechtsbereitschaft weiter aufrecht zu erhalten.

Abb 7.4 OSL Martin Klichowicz

In die Zeit Anfang 1990 reichten auch die Fra­gen nach der Perspektive der Raketentech­ni­schen Basis 2 zurück. Die Diskussion um den künftigen STAN ging dahin, dass die Basis in ein künftiges RWD-Lager RWTL-12 umge­wandelt werden soll. Der Personalbestand an Armeeangehörigen werde dabei von 361 Mann (= Soll I im Sommer 1990) auf zirka 130 Mann schrumpfen.
Bereits ab Ende 1989 erhielt die RTeB-2 zu­sätzliche Aufgaben, die das künftige Profil des Truppenteils in gewissem Maße bereits vorher­bestimmten. Unter Leitung von Oberstleutnant Martin Klichowicz wurde eine umfangreiche Arbeit geleistet, um Handfeuerwaffen und an­deres Gerät der aufgelösten „Kampfgruppen der Arbeiterklasse“ und der Staatssicherheit in Hallen und Bunkern innerhalb der RTeB-2 ein­zu­lagern.
Im April 1990 wurden alle Bestände an 8K14-Transporttechnik und Zubehör an die sowjetische 27. Raketenbrigade im Standort NEUES LAGER bei JÜTERBOG zwecks Rückführung in die UdSSR abgegeben. Der „Re-Export“ der Raketen 8K14 erfolgte zur gleichen Zeit auf der Bahnschiene. Aufgaben der Raketenzuführung waren durch die Basis ohnehin nicht mehr realisierbar, da qualifiziertes Personal entlassen war und neueinberufene Soldaten und Unteroffiziere im Bedienen der Krane oder im Umladen von Raketen nicht ausgebildet werden konn­ten. Selbst die Überführung der OTR-Transporttechnik zur 27. RBr der WGT war nur durch zweckentfremdeten Einsatz vieler Offiziere als Militärkraftfahrer möglich.
Die genannten Maßnahmen entsprachen Festlegungen des Befehls 42/90 des Ministers bezüglich der Reorganisation und Reduzierung der Raketentruppen der NVA.

Generalmajor Heinz Hampel notierte dazu 1995 in seinen persönlichen Erinnerungen:

Im Dezember 1989 hatte der Ministerpräsident Modrow entschieden: Die „OKA“ sind zu zerstören. Der Komplex entspricht nicht mehr der Militärdoktrin (Verteidigung der DDR). Mit der Demontage und Vernichtung der Startaggregate wurde sofort begonnen. Übrigens, die Zerstörung ist wohl genauso aufwendig wie die Produk­tion! Anfangs träumten wir noch davon, eine Rampe ausgeschlachtet im Armeemuseum Dresden aufzustellen. Zum Abschluss erschien im Objekt DEMEN (5. RBr.) eine Gruppe von Offizieren der US-Armee zur Kon­trolle; sie sah aber nur noch zerlegte und zerschnittene Teile unserer einst stolzen Technik. Bei der Zerstörung der Bodenausrüstung gab es selbstverständlich keine Schwierigkeiten, anders für Trägermittel. Die Triebwerke konnten, trotz Bemühungen, weder an die Sowjetunion zurückgegeben noch in un­serem Lande vernichtet werden. Für die Rücknahme hat sich später Minister Eppel­mann bei Marschall Jasow eingesetzt und nichts erreicht. Alle sowjetischen Träger dieses Waffensystems waren in Kapustin Jar unter amerikanischer Aufsicht vernichtet worden. Eine Vernichtung durch uns in Deutschland mussten wir ablehnen. Grund: Die Zusammensetzung der Treibmittel war nicht vollständig bekannt also musste mit Umweltschäden gerechnet werden.
Eine sowjetische Expertenkommission kam unaufgefordert und nahm unsere Technik in Augenschein, einschließ­lich auch der alten Technik operativ-taktischer Bestimmung. Bestand der Gruppe: zwei oder drei Generale und mehrere Offiziere, darunter Teilne­hmer an den Vernichtungen in Ka­pustin Jar. Mit Angehörigen dieser Gruppe war ich in KLIETZ (TÜP). Wir kamen zur Schlussfolgerung, eine Sprengung nach den Spreng-Sicher­heitsbestimmungen wäre möglich. Da aber die DDR nicht Kasachstan und Klietz nicht Kapustin Jar war, wurde die Sprengung nicht ausgeführt. Erwogen wurde auch die Verbringung in die tiefsten Wismutschächte und eine Sprengung vor Peenemünde im Raum der früheren V2-Versuche und späterem Gelände der Volksmarine. Auch das haben wir unterlassen und alles das Wertvolle und Gute unseren „Erben“ hinterlassen. Vielleicht haben sie diese Geschenke auch heute, 1995, noch?
Übrigens, nachdem, was ich gelernt habe, hatte das System, das wir besaßen, eine Reichweite von 300 km beziehungsweise abhängig von der Bestückung 400 km und hätte nicht zerstört werden müssen! Der Vertrag zwischen den USA und der UdSSR sah nach meiner Meinung die 500 km Begrenzung vor. Startrampen und Gefechts­köpfe waren ja nicht vorhanden, also können die Träger schon noch einige Jahre existieren.
Das System „OKA“ entsprach dem letzten Stand der Technik. Das System war mit 4 Startrampen bei uns und nach meiner Kenntnis auch in der CSSR vorhanden, vermutet haben wir es noch in Bulgarien. Das Personal unserer Abteilung war gut ausgebildet, trotz gelungener kompletter Geheim­haltung. Die Rampen besaßen alle technischen Elemente zur Startvor­be­reitung, Vorstartüberprüfung, Vermes­sung, Errechnung und Vorbereitung der Angaben für den Start, Führungsmittel und Hebetechnik. Es bedurfte nicht mehr der zahlreichen und verschiedenen Begleit- und Sicherstellungstechnik wie bei 8K14.
Im Zuge übertriebener Abrüstungs-Hektik stand die Frage: „Was geschieht mit dem operativ-taktischen System 8K14 (R 300, SCUD-B), Reichweite 300 km? Der Rake­tenkomplex befand sich seit 1968 in der Ausrüstung der NVA (Beginn der Ausrüs­tung). Ursprünglich befand sich diese Technik auf Radbasis nur in der 5. RBr. des MB V, die jeweils notwendigen Teile davon in den Beweglichen Raketentechnischen Basen, dem Raketen- und Waffentechnischen Lager, der Raketentechnischen Basis 2 und den Lehreinrichtungen. Ab 1973 bildete die III. RA/ 5.RBr die Basis für die Auf­stellung der 3.RBr. des MB III.
Der Komplex sollte vernichtet, zerstört werden! Eine Überschlagsrechnung ergab einen erheblichen Kräfte- und Mittelaufwand. Ebenfalls wäre viel Zeit und Material notwendig gewesen. Wir hatten immerhin Erfahrung durch die Zerstörung der Kom­plexe R 30 und R 170 vor einigen Jahren. Nach Überlegungen und dem üblichen Hin und Her kam dann der Entschluss: Übergabe! Übernahme durch die Sowjetarmee in unseren Objekten, nicht Hinbringen, ohne gegenseitige finanzielle Leistung. Damit entfielen für uns natürlich alle Aufwendungen für die Zerstörung. Die Sowjetarmee übernahm die gesamte Raketentechnik, alle spezielle, raketenbezogene Technik, Zu­behör, Ersatzteile, Werkzeug, Zubehör (EWZ) und alle Ausbildungsmittel und Geräte in einem trotz Alters und intensiver Nutzung gutem, teilweise sehr gutem Zustand. Die sowjetischen Offiziere betonten, sie werden ihre Technik in die Heimat abschie­ben und unsere zur Nutzung behalten. Ob das allerdings so ablief wissen wir nicht. Jedenfalls sah Generaloberst Goldbach, ich und unsere Begleiter einen großen Teil „unserer“ Raketentechnik ein letztes Mal auf dem TÜP Wittstock in Reih und Glied aufgefahren soweit das Auge reichte! Ort der Handlung: Unweit der Straße Schwein­rich - Neu Lutterow, wir waren zu einem Bankett/Dankgottesdienst eingeladen. Dieses Bankett war für alle Beteiligten eine traurige Abschiedsvorstellung von dieser Be­waffnung.
Immerhin waren seit 1962 einige Generationen, tausende Armeeangehörige an dieser Technik ich betone gut ausgebildet worden. Die Verbände und Truppenteile der Landstreitkräfte-„Raketentruppen“ waren Elitetruppen und ab 30.04.1990 gab es nun den Teil „Operativtaktische Raketentruppen“ nicht mehr. An Material ausgenommen Militärische Bestimmungen, Dienstvorschriften und Gerätebeschreibungen hätte nicht einmal mehr nachgewiesen werden können, gab es denn diese Truppen überhaupt einmal? Es war alles eben weg!


Abb. 7.5 Auszug aus dem Raketenbestandsbuch (GVS B1/ 050197) des Lagerbereiches der RTeB-2 von 1990: Abgabe der Träger 8K14 an „Westgruppe der sowj. SK“ am 24.4.90



Abb. 7.6 Ein Verladekommando, zu welchem auch dieser Angehörige der TeBttr. ge­hörte, belud im April 1990 die OTR-Träger 8K14 für den Re-Export in Güterwagen.



Die bisher übliche Gefechtsbereit­schaft war mangels ausreichendem Personals nicht mehr aufrechtzu­erhalten































Diskussion um die militärische Zukunft: Die RTeB-2 als ein Lager des Raketenund Waffentechnischen Dienstes

Unter den Berufssoldaten machte sich die Sorge um ihre Zukunft schon vor den letzten DDR-Volkskammerwahlen (18. März 1990) breit. Verunsichert drängten einige Offi­ziere und Fähnriche auf ihre vorzeitige Entlassung aus dem Wehrdienst. Sie glaubten, in der Wirtschaft eine sicherere Perspektive zu haben als in der sich langsam zersetzenden Armee. Bei den verbliebenen Berufssoldaten schwand die Wehr- und Dienstmotivation rapide. Nur der Gedanke, hier noch eine Aufgabe zu haben und zumindest für einige Zeit nicht im sozialen Abseits zu landen, ließ sie weiterhin ihre Pflicht erfüllen.

Abb. 7.7 Mit allerlei Schnickschnack - hier der Austausch der Kokarden an der Kopf­bedeckung - machte Abrüstungsminister Eppelmann von sich reden

Auch die vielen Beteuerungen Rainer Eppelmanns, des Ex-Pfarrers und nun­mehr (von April bis Oktober 1990) zu­ständigen Ministers für Abrüstung und Verteidigung, sorgten beim Personal für mehr Verwirrung statt Klarheit: Die Akti­onen des DDR-Abrüstungsministers Rainer Eppelmann trugen nicht dazu bei, die gereizte und nervöse Stimmung im Berufssoldatenkorps abzubauen. Daran änderte auch die von „Hammer, Zirkel und Ährenkranz“ befreite Mützenkokarde oder die Ablegung des geänderten Fah­neneides am 20. Juli 1990 nichts mehr. Bereits zu diesem Zeitpunkt war fast allen Soldaten - bloß ihrem Minister nicht - klar, dass dieser Eid nur noch wenige Wochen Gültigkeit haben würde. Eppelmann lebte noch in seiner Fantasia-Welt von einer NVA, die als Teilstreitkraft gesamt-deutsch weiter existieren könne.

In Wahrheit sahen die Politiker in Bonn wie in Washington nur einen gangbaren Weg: Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes statt irgendwelcher „Zusam­menschluss“:
„Worum es nach 1990 in Deutschland ging und was man in der Praxis durchsetzte, hat die ehemalige US-Außenministerin der Bush-Regierung, Condoleezza Rice, im Spiegel 39/2010 deutlich gemacht: »Aber es wäre unvorstellbar gewesen, dass es eine lange Übergangsphase gibt. Oder dass am Ende nicht nur ein Staat nach westdeutschem Zu­schnitt bleibt, wie wir uns die Einheit vorstellen. Ähnliche Bedenken hatten wir über die Pläne von Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Dem schwebte wohl auch eine Art Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten vor. Ich sah die Einheit eher wie eine Übernahme.«“*

*Zitiert nach Günther Sarge (letzter Präsident des Obersten Gerichtes der DDR) „Im Dienste des Rechts“ Edition Ost 2013














Sorgten beim Personal für mehr Verwirrung statt Klarheit: Die Aktionen des DDR-Abrüstungs­ministers Rainer Eppelmann

In der Raketentechnischen Basis waren die Monate Juni bis September 1990 gekenn­zeichnet durch den Aufbau des Bereiches „Abrüstung“ sowie die Erweiterung des La­gerbereiches als den beiden künftig tragenden Säulen der RTeB-2.
Erste Schritte zum Bereich „Abrüstung“ waren der Aufbau einer Kontroll- und Prüf­gruppe für Handfeuerwaffen im Juni, die Einlagerung von Startrampenfahrzeugen für die Raketen 9M21 aus dem Bestand der Landstreitkräfte im August sowie der Abschub „sensitiver Technik“ (u.a. Raketen 9M79 TOTSCHKA) an die WGT im September 1990.


Abb. 7.8 In den Brücker Bunkern eingelagerte Kisten voller Handfeuerwaffen aus den vormaligen Beständen der Kampfgruppen und der Staatssicherheit



Abb. 7.9 Im Freien abgestellte Startram­pen 9P113 des Raketenkomplexes 9K52 LUNA-M

 

Abb. 7.10 Ausgemustert und abgewrackt: Ein Blick auf die Freilagerfläche Nr. 3


Bestände an Trägern / Raketen - 31. Juli 1990 (lt. VRWD)

Bezeichnungwestl. Code      Bestand
NVAdavon in Brück

9M714 OKASS-23 Spider2412
9M21 LUNA MFrog 7256136
9M79 TOTSCHKASS-21 Scarab 513
3M8 KRUGSAM-4 Ganef387169
3M9 KUBSAM-6 Gainful1363607
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Abb. 7.11 Die „Märkische Volksstimme“ deutete am 29.8.1990 an, was auch in Brück passierte: Laut Bestandsbuch der RTeB-2 (GVS B1/ 050197) wurden am 6.9.90 unter anderem an TOTSCHKA-Technik zurück gegeben: 3 G-Träger, 8 GK, 2 LG-Träger und 10 LG-GK

Am 31. August 1990 unterzeichneten Vertreter der Regierungen der BRD und der DDR den „Einigungsvertrag“ - also die Eingliederung der DDR in die BRD. Von da an blie­ben dem Kommandeur und dem Personalbestand der RTeB-2 noch 768 Strunden bis zum Ende der NVA.


Juni 1990: Aufbau des Bereiches „Abrüstung“ im Lagerbereich der Raketentechnischen Basis 2

Am 2. Oktober 1990 wurde nach einem Abschlussappell auch in Brück die NVA-Dienstflagge eingeholt. Um 24 Uhr wurde, wie befohlen, die Hochspannungs­siche­rungsanlage rund um die technische und Lagerzone des Objektes abgeschaltet. Die neuen Uniformen der Bundeswehr waren bereits vor einigen Wochen eingelagert worden und wurden nun an die Soldaten ausgegeben. Um Mitternacht zogen die Soldaten der Objektwache als erste die neue Bundeswehruniform an. Damit endet die mehr als 20jährige Geschichte der Raketentechnischen Basis 2 der Nationalen Volks­armee. Ihr Name RTeB-2 wurde nachfolgend durch die Bundeswehr noch einige Mo­nate formal fortgeführt.

Tagesbefehl des Ministers für Abrüstung und Verteidigung zur Eingliederung der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr anläßlich des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland vom 02. Oktober 1990

Meine Herren Soldaten, Unteroffiziere, Fähnrichschüler und Offiziersschüler, Fähnriche und Offiziere! Meine Herren Generale und Admirale! Meine Damen und Herren Zivilbeschäftigte!
Mit dem 2. Oktober, 24.00 Uhr, hört nach dem Willen unseres Volkes die Deutsche Demokratische Republik auf zu bestehen, aber nicht ihre Menschen. Mit dem 2. Oktober, 24.00 Uhr, hört die Nationale Volksarmee auf zu bestehen, aber nicht ihre Soldaten und Zivilbeschäftigten. Mit dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland beginnt am 3. Oktober 1990 ein neuer Abschnitt in der Geschichte des deutschen Volkes. Nach 40jähriger unnatürlicher Trennung wächst wieder zusammen, was zusammen gehört. Sie, als Soldaten und Zivilbeschäftigte der Nationalen Volksarmee, gehören mit dem Wirksamwerden des Beitritts entsprechend dem Einigungsvertrag zur Bundeswehr. Unter Ihrer Mitwirkung vollzieht sich ein historisch einmaliger Akt. Die Nationale Volksarmee stand unter der Vormundschaft einer Partei, die sich als unfähig erwiesen hat, den Interessen der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik gerecht zu werden. Es bleibt jedoch das Verdienst der Angehörigen der Nationalen Volksarmee, ihre von der Verfassung gegebene Aufgabe, die äußere Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewähr­leisten und der Bewahrung des Friedens zu dienen, nach bestem Können und mit hoher Professionalität erfüllt zu haben. Seit dem Herbst 1989 haben sie verantwor­tungs­bewußt ihren Beitrag dazu geleistet, daß der Umgestaltungsprozeß in unserem Lande friedlich verlaufen ist und sich Freiheit und Demokratie auch in diesem Teil Deutschlands den Weg bahnen konnten. Gleichlaufend mit den gesellschaftlichen Umwälzungen in der Deutschen Demokratischen Republik haben die Angehörigen der NationalenVolksarmee eine umfassende Militärreform begonnen und den Kurs auf weitgehende Abrüstungsmaßnahmen aktiv mitgestaltet. Für die Erfüllung Ihrer mili­tärischen Pflichten gegenüber dem Vaterland und Ihre Bereitschaft, persönliche Inter­essen sowie die Belange Ihrer Familienangehörigen sehr oft hinter die des Volkes zu stellen, gebührt Ihnen, meine Damen und Herren, mein aufrichtiger Dank.
Mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 werden Sie den militärischen Dienst nach dem Soldatengesetz in Verbindung mit dem Wehrpflichtgesetz der Bundesrepublik Deutschland entsprechend den Festlegungen im Einigungsvertrag, leisten. Für die Mehrheit von Ihnen wird die Aufgabe darin bestehen, dem vereinigten deutschen Staat treu zu dienen, die Sicherheit des deutschen Volkes zu gewährleisten sowie an der Erhaltung des Friedens in Europa mitzuwirken. Nicht wenige werden im Zusammen­hang mit der Zusammenführung von Bundeswehr und NVA gemäß Einigungsvertrag und der Realisierung der in Wien gegenüber den KSZE-Staaten übernommenen Verpflichtung zur Reduzierung der deutschen Streiträfte in den nächsten vier Jahren aus dem Wehrdienst ausscheiden. Von allen erwarte ich, daß Sie, solange Sie dienen, die Ihnen übertragenen Pflichten in Ehre und Würde erfüllen und mit allen Ihren Kräften zum Schutz von Freiheit und Demokratie in einem geeinten Deutschland und zur Aufrechterhaltung des Friedens in Europa beitragen.

Hiermit entlasse ich Sie als Angehörige oder Zivilbeschäftigte der Nationalen Volksarmee aus Ihren Verpflichtungen, die Sie gegenüber der Deutschen Demo­kratischen Republik zu erfüllen hatten. Sie sind ab 3. Oktober 1990, 00.00 Uhr, Soldaten bzw. Zivilangestellte der Bundeswehr und unterstehen damit dem Zu­ständigkeitsbereich des Bundesministers der Verteidigung der Bundesrepublik.

Meine Damen und Herren!
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien alles Gute, Gesundheit und persönliches Glück.
Strausberg, den 02. Oktober 1990
Rainer Eppelmann
Minister für Abrüstung und Verteidigung

2. Oktober 1990: Der letzte Appell und die Einholung der Dienstflagge. Um Mitternacht hörte die DDR und damit die NVA auf zu existieren, der Vollzug des Anschlusses an die BRD erfolgte.

Inhalt

Vorwort Raketen eine neue Waffe Das Raketenzeitalter beginnt auch für die NVA Die Raketentransport­abteilung 2 (1969-1976) Die Raketentechnische Basis bis zum Beginn der 80er Jahre
(1976-1983)
Neue politische und militärische Herausforderungen in den 80er Jahren (1983-1989) Entwicklung des Baugeschehens sowie der Dienst- und Lebensbedingungen Das Ende der Raketentechnischen Basis 2 (1989-1990) Die Bundeswehr in Brück
(ab 3. Oktober 1990)
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